Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
strahlte. »Gut. Warte, du hast das Beste noch nicht gesehen.«
Er gestikulierte mit einem langen dünnen Stab. Mehrere Laden, die entlang der Tischkanten verborgen waren, öffneten sich, und winzige, magisch bewegte Figuren ergossen sich auf den Tisch. Halruaanische Soldaten marschierten in Kampfformation über das wilde Terrain hin zu einem Gebirgspaß. Ein Magier, der im Schneidersitz auf einem fliegenden Teppich saß, schoß aus seiner Lade und begann, über den Truppen zu kreisen. Ein kleiner Trupp berittener Kriegerinnen brach aus den Gebirgsausläufern hervor und stürmte auf die halruaanischen Streitkräfte zu, und das ferne Hufgetrappel erinnerte Matteo an leisen Regen. Sie ritten am anderen Ende des Gebirgspasses hinauf und stellten sich den Halruaanern in den Weg.
Alle Miniaturtruppen waren ein kleines Wunder, doch die berittenen Figuren zogen Matteos Blick auf sich. Sie waren in verschiedenen Grautönen dargestellt. Die Pferde waren alle grau gesprenkelt, und die Kriegerinnen waren elfenhafte Frauen mit dunkler Haut und mattsilbernem Haar.
»Schattenamazonen«, staunte Matteo. So lange er zurückdenken konnte, hatten ihn die Crinti fasziniert, und ihm war danach, eine der winzigen Figuren in die Hand zu nehmen und die kunstvollen Details zu betrachten.
Der Gedanke mußte ihm ins Gesicht geschrieben gewesen sein, denn Procopio lachte leise. »Nur zu«, sagte er. »Sie leben nicht, also mußt du auch keine Angst haben, sie in die Hand zu nehmen.«
»Das ist es nicht. Den Jordaini ist es verboten, magische Gegenstände zu besitzen, zu benutzen oder auch nur wissentlich in die Hand zu nehmen.«
Der Erkenntniszauberer runzelte die Stirn. »Wie kannst du vor so etwas zurückschrecken, wenn du im Dienst eines Magiers stehst? Ich brauche dich für ein strategisches Spiel. Muß ich der Magie abschwören, damit du mit mir umgehen kannst? Wer ist hier der Herr und wer der Diener?«
Das war eine berechtigte Frage, und plötzlich stellte ihn die traditionelle Antwort nicht mehr zufrieden. Dennoch gab er sie.
»Jordaini ist es gesetzlich und durch Tradition verboten, mit Magie umzugehen oder von ihr zu profitieren. Das schützt letztlich die Magier, denen wir dienen.«
»Was ist mit den Himmelsschiffen?« fragte Procopio listig. »Heißt das, du willst auf den täglichen Flug verzichten?«
Matteo zwinkerte, da ihn diese logische, aber unerwartete Anwendung der Regel erschreckte. »Ich habe Himmelsschiffe noch nie unter diesem Aspekt gesehen«, sagte er langsam. »Sie sind ein so fester Bestandteil der halruaanischen Kultur, daß die Jordaini längst aufgehört haben, in ihnen normale magische Artefakte zu sehen. Ich denke, Himmelsschiffe sind bei einer strengen Auslegung der Regel ebenfalls untersagt.«
»Und dennoch würde dir niemand ankreiden, daß du mit deinem Patron in die Lüfte steigst. Und es wird auch niemand vor Entsetzen den Atem anhalten, wenn herauskommt, daß du Spielzeugtruppen befehligt hast«, meinte Procopio und deutete auf die winzigen Figuren auf dem Tisch.
Matteo dachte nach. »Wäre es möglich, die Verzauberung aufzuheben? Wir könnten die Figuren von Hand ziehen.«
»Auf gar keinen Fall«, lehnte der Magier ab. »Ich werde mich keiner solch barbarischen Unbequemlichkeit aussetzen. Wenn ich damit anfange, wo soll das enden? Erwartest du dann von mir auch, daß ich im Kampf auf den Einsatz von Magie verzichte, damit deine Gefühle nicht verletzt werden?«
»Nein. Aber dies ist ein Spiel, kein Kampf.«
»Es ist ein Spiel, und ich verlange, daß du es spielst«, sagte Procopio mit Nachdruck. »Jede Regel kennt ihre Ausnahmen, und je eher du das lernst, desto besser wirst du mir dienen können. Aber vergiß deine Skrupel. Du mußt heute nicht den Makel der Magie befürchten. Du bist hier, um mich zu beraten, nicht, um etwas zu tun. Ich werde ziehen.«
Matteo nickte. Wie Procopio richtig gesagt hatte, war es einem Jordain unmöglich, sich im Haus eines Magiers von jeglicher Magie ganz und gar fernzuhalten. Jeder Jordain, den er kannte, wartete nur auf eine Gelegenheit, um ein Himmelsschiff zu lenken, und niemand hielt das für unziemlich.
Er betrachtete die Anordnung der winzigen Figuren. »Das sieht sehr nach den Scharmützeln aus, die dem Kampf von Mycontils letztem Gefecht vorausgingen«, sagte er und bezog sich auf den Erzmagus, der bei der Abwehr einer gewaltigen Invasion von Kriegern unter der Führung der Crinti starb.
»Dies ist Mycontil selbst«, erwiderte Procopio und wies
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