Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
weiter verfeinert hatte. Es konnte nie schaden, alle Fertigkeiten stets in Alarmbereitschaft zu halten.
Die Kammer war eine wahre Absonderlichkeit. Der Raum war rund, die Kuppeldecke und der Spiegelboden ließen ihn wie eine Kugel erscheinen. Eine Wandmalerei vermittelte das Bild einer Unterwasserlandschaft mit waberndem Seetang, phantastischen Korallenbauwerken und bunten Fischschwärmen. Ein Pärchen Meerjungfrauen war ineinander verschlungen, erstarrt in einem entwürdigenden, aber unterhaltsamen Kampf. Das Licht legte über den Raum einen tiefblauen, sanft wogen Schleier. Kristallkugeln schwebten wie übergroße Luftblasen umher. Tzigone nahm sich eine der Kugeln und setzte sich auf ein künstliches Riff.
Basel hatte ihr die Grundlage magischer Kommunikation vermittelt, doch Tzigone hatte sich noch andere interessante Kenntnisse angeeignet. Mit Sinestra Belajoon Kontakt aufzunehmen war eine Leichtigkeit. Sie richtete die Kugel aus, indem sie den Ring benutzte, den sie Sinestra bei ihrer letzten Begegnung vom Finger gestreift hatte.
Wolken zogen durch die Kristallkugel und teilten sich, um den Blick auf Sinestras Gesicht freizugeben. Sie wirkte neugierig, aber gefaßt – eine angemessene Reaktion, wenn man einen Ruf unbekannter Herkunft erhält. Als Tzigone den Ring hochhielt, begann Sinestra gar nicht damenhaft laut zu lachen.
»Du kannst den Ring behalten«, sagte sie immer noch breit grinsend. »Betrachte ihn als Vorschuß darauf, daß du mir diesen Trick beibringst.«
»Alles zu seiner Zeit«, empfahl Tzigone. »Erst müßt Ihr lernen, Euch in meinem Schatten zu bewegen, dann werde ich Euch lehren, wie Ihr allein handelt.«
Sinestra strahlte. »Wann und wo?«
»Ihr kennt Procopio Septus?«
Sinestra riß den Mund auf. »Ob ich ihn kenne !Er ist einer der mächtigsten Erkenntniszauberer im Land! Willst du sein Landhaus ausrauben?«
»Warum eigentlich nicht?«
»Warum eigentlich nicht ?« Die Magierin warf die Hände hoch. »Wo soll ich anfangen? Bist du völlig verrückt?«
»Ich war schon einmal dort. Es ist nicht so schwierig.«
»Da ich es für unmöglich halte, wirst du wohl recht haben. Mädchen, hast du keinen besseren Plan?«
»Ich habe andere Möglichkeiten, doch die taugen nichts. Dies ist der beste und leichteste Weg, um an den Schatz zu gelangen, der mir vorschwebt.«
Sinestra sah sie abschätzend an. »Und was soll das sein?«
»Ihr seid die Erkenntniszauberin. Welcher Art von Schatz geht Ihr nach?«
Die Hand der Magierin schoß sofort an die schwarze Perlenkette um ihren Hals, doch ihre Augen leuchteten verstehend auf. »Informationen können kostbarer sein als Rubine – und schwieriger aufzuspüren als gestohlene Edelsteine. Also laß es uns tun!«
Tzigone hatte eine längere Diskussion erwartet. »Ihr setzt viel Vertrauen in eine Diebin, die Ihr kaum kennt. Das könnte riskant sein.«
»Nein. Ich trage einen Teleportationsring, und du kannst sicher sein, daß ich dich beim ersten Anzeichen für Schwierigkeiten im Stich lassen werde. Mein verehrter Gatte Belajoon hat ihn mir gegeben, damit ich sofort an seiner Seite auftauchen kann, wenn er nach mir ruft.«
»Ein nettes Geschenk.«
»Ein letzter Ausweg, das versichere ich dir.«
Tzigone beschrieb instinktiv ein Schutzzeichen über ihrem Herzen – eine Gewohnheit, die sie von den abergläubischen Gauklern übernommen hatte, mit denen sie jahrelang gereist war. In deren Welt gab es keinen »letzten Ausweg«. Es gab nur viele Möglichkeiten und die Hoffnung, daß sich immer noch eine bessere Möglichkeit ergab. Das war die Denkweise, von der sie sich leiten ließ. Der Weg zu Exchelsor klang eher wie ein letzter Ausweg. Erst mußte sie die Verbindung zwischen Sinestras Magie und ihren Erinnerungen an ihre Mutter finden. Wenn sich herausstellen sollte, daß Sinestra und Keturah ein und dieselbe Person waren, dann würde sie sich gar nicht erst mit Dhamari befassen müssen.
»Erste Lektion«, sagte Tzigone nachdrücklich. »Wenn Ihr allen Ernstes Diebin werden wollt, dann dürft Ihr nie etwas als ›letzten Ausweg‹ bezeichnen. Das ist so, als wolltet Ihr die Götter herausfordern, Euch das Gegenteil zu beweisen. Ganz egal, wie schlecht es auch kommt, sie können sich immer noch etwas schlechteres für Euch ausdenken.«
Sinestra setzte eine nachdenkliche und zugleich mitfühlende Miene auf. »Wie ist es möglich, daß du so zynisch bist, wenn du noch nie verheiratet warst? Eines Tages würde ich gerne deine Geschichte
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