Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
hören.«
Tzigone zwang sich zu einem Zwinkern und erwiderte: »Das würde ich auch gern.«
NEUNTES KAPITEL
E ine Bande von Elfen schlich durch den Waldpaß, der vom Dschungel von Mhair durch die Berge am westlichen Rand Halruaas führte. Der Baumbestand endete völlig abrupt, und die bewaldete Landschaft wich so plötzlich einem freien Gelände, wie eine Klippe steil ins Meer abfällt. Die Elfen blieben stehen und sah zu dem geisterhaften Menschen, der sie geführt hatte.
Andris hockte sich hin und betrachtete das Grenzland. Durch den Regen, der mehrere Tage lang angehalten hatte, war das Gras auf Kniehöhe geschossen. Dichter Nebel verhüllte den Nachthimmel, das einzige Licht kam von einem Monument am andere Ende des Feldes, einem Monument, das an die linke Hand eines Mannes erinnerte, deren Zeigefinger nach oben ausgestreckt war. Geheimnisvolle Feuer umgaben die Hand wie ein tanzender Nimbus und verbreiteten ein sanftes Leuchten im Nebel.
«Das Symbol Azuths«, sagte Andris leise, da dies ein heiliger Ort war und er nicht gehört werden wollte. Aus der Ferne drang eine Kakophonie aus Gelächter und Musik zu ihnen herüber, die Geräuschkulisse eines Gelages, das in krassem Gegensatz zu der ruhigen Umgebung stand. »Achtet auf Manifestationen des Herrn oder der Dame.«
Kiva deutete auf die schlanken grauen Hunde, die offenbar aufgeregt am Rand des Tempelkomplexes hin- und herliefen. Azuths Gunst zeigte sich oft durch das Auftauchen grauer Tiere. »Was ist mit den Hunden?«
Eine zierliche Elfe, die die kunstvoll geflochtenen Zöpfe einer Schamanin trug, kroch zu Andris. Sie holte eine Handvoll polierter schwarzer Steine aus der Tasche, ballte eine Faust und sah zu den aufgebrachten Hunden sowie an ihnen vorbei.
»Die Struktur des Gewebes ist eng um diese Bestien«, verkündete die Schamanin. »Sie sind beunruhigt – möglicherweise verwirrt durch das Verhalten ihrer Meister oder die wilde Magie. Aber es sind natürliche Wesen.«
Kiva nickte zufrieden und gab den Bogenschützen ein Zeichen, die hinter ihr hockten. Sie legten Bolzen in ihre kleinen Armbrüste ein und schossen sie in zwei raschen Salven ab. Die Hunde erschraken, sprangen auf, ruderten wild mit den Pfoten und fielen im nächsten Moment in einen tiefen, durch Kräuter ausgelösten Schlaf.
Andris begann, durch das hohe, nasse Gras zu kriechen. Er spürte, daß die Elfen sich hinter ihm bewegten, obwohl er sie nicht hörte. Ein dichter Baumhain umgab den Tempel und versprach Schatten und Schutz.
Die ausgelassene Feier wurde immer lauter. Als sie das Monument passierten, deutete Kiva auf den Wahlspruch des Azuth, der dort eingraviert war. »Ruhe und Vorsicht« , murmelte sie verächtlich.
»Sie lieben Magie um ihrer selbst willen«, betonte Andris. »Von Zeit zu Zeit lassen sie wilder Magie freien Lauf und tanzen inmitten des Chaos, nur um es zu erleben.«
Nadage, der Führer des Kriegstrupps, kam an Andris’ Seite. »Woher wußtest du, daß der wilde Tanz heute stattfinden würde?«
»Es gibt kein festes Muster, keine feste Zeit.« Andris sah zu den Elfen, die herbeigekrochen kamen, um ihn zu hören. »Als ich im Tempel des Azuth war, hörte ich zwei Priester über einen neuen Magistrat reden – eine besondere Art von Priester. Viele der hier Versammelten sind auch befördert worden. Sie wollten noch vor Vollmond feiern, in einer Nacht, in der es nicht regnet, die aber unter einem dichten Nebelschleier liegt.«
»Sie wollen ihre Torheit in der Dunkelheit verbergen«, folgerte Nadage.
»Sie wollen das beste aus ihren magischen Gegenständen und Lichtzaubern herausholen«, berichtigte Andris. »Das Licht innerhalb des Kreises wird gleißend hell sein, was für uns um so besser ist, da sie nicht sehen können, daß wir uns nähern.«
Cibrone, die Schamanin, spähte in den Hain, der zwischen ihnen und den Feiernden lag. »Ich hoffe, du hast recht, Karasanzor. Wir verstoßen gegen den Vertrag, indem wir diese Ländereien betreten, und riskieren den Zorn der Magier Halruaas. Viele von uns tragen noch Narben von ihrem letzten Krieg gegen das Volk.«
Andris legte eine durchscheinende Hand auf die Schulter der Elfe und war dankbar, daß sie nicht zurückschreckte. »Deine Zauber sind bereit?«
Die Schamanin klopfte auf den Beutel an ihrem Gürtel und sah zu Nadage, damit der das Startsignal gab.
»Los«, sagte der Anführer lediglich.
Die Elfen erhoben sich und huschten auf die Bäume zu. Geschickt wie Lemuren kletterten sie in die
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