Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
hätte. Das allein erklärte ihre Flucht. Dennoch vermutete Matteo, daß mehr dahintersteckte, und sagte das geradeheraus.
»Ja«, stimmte der Magier traurig zu. »So scheint es immer zu sein, nicht?«
Der Jordain nickte und erwiderte das bedauernde Lächeln Dhamaris.
»Keturah entzog sich ihren Verfolgern jahrelang. Das ist in Halruaa eine erstaunliche Leistung! Viele suchten nach ihr, und von Zeit zu Zeit hörte ich etwas über sie.« Dhamari sah Matteo an. »Sie brachte ein Kind zur Welt. Niemand weiß, wer der Vater ist. Euch ist klar, wie ernst diese Angelegenheit ist?«
»Natürlich.«
In Halruaa waren Kinder von Magiern keine Zufallsprodukte wie in den unzivilisierten Ländern im Norden. Magier wurden durch Erkenntniszauber und sorgfältig geführte Aufzeichnungen zusammengeführt, um sicherzustellen, daß die Linie stark blieb. Gefährliche magische Begabungen, geistige Instabilität und körperliche Gebrechen konnten für jemanden, der als Kind von Magiern zur Welt kam, tödlich sein. Dieser Brauch war ein so fester Bestandteil Halruaas, daß nur wenige halruaanische Kinder nicht als Produkt einer Ehe zur Welt kamen. Bastarden hing ihr Leben lang ein Stigma an. Der Bastard einer Magierin wurde nach der Geburt getötet, wenn der Vater unbekannt war.
»Keturah kannte die Gesetze«, sprach der Magier weiter. »Sie rannte fort, versteckte sich und beschützte ihr Kind. Mit ihrem eigenen Leben beschützte sie ihr Kind!«
Dhamari stand auf und ging zu einem der Tisch, hob eine mit Schnitzereien verzierte Schachtel auf und nahm einen kleinen, in Seide gehüllten Gegenstand heraus. Er entfernte die Seide, kehrte zu Matteo zurück und zeigte ihm ein einfaches Medaillon.
»Das gehörte Keturah. Kiva hat spürte sie auf, und dann überbrachte sie mir den Talisman, als sei er eine Trophäe. Sie erzählte mir, wie meine Frau gestorben war, und lachte.« Dhamari standen Tränen in den Augen, als er Matteo ansah. »Da Kiva Keturah gefunden hat, muß ich annehmen, daß sie auch des Kindes habhaft wurde.«
»Ich habe so etwas gehört«, sagte Matteo behutsam. Er verschwieg, daß der jungen Tzigone ebenfalls die Flucht gelungen war.
Der Magier sah weg und mußte sich mehrmals räuspern, ehe er weiterreden konnte. »Ihr seid Jordain. Die verborgene Geschichte des Landes steht Euch offen. Dinge, über die niemand reden darf, werden Euch anvertraut.« Er sah auf, und Matteo nickte. »Wenn das Kind überlebt hätte, wäre es einem Mann wie Euch möglich, in Erfahrung zu bringen, was aus ihm geworden ist. Vielleicht könnt Ihr den Anhänger mitnehmen. Wenn Ihr das Kind findet, gebt ihm das Medaillon und erzählt ihm von seiner Mutter. Erzählt so wenig oder so viel, wie Ihr glaubt, daß das Kind es ertragen kann. Ein Jordain muß die Wahrheit sagen, trennt aber zuvor die Spreu vom Weizen.«
Matteo war nicht sicher, wie er reagieren sollte, doch er wußte, daß Tzigone das Medaillon ihrer Mutter schätzen würde.
»Ich werde Nachforschungen anstellen, wenn Ihr es wünscht«, sagte er. »Wenn Keturahs Tochter lebt, werde ich dafür sorgen, daß sie es bekommt – und werde mit ihr über ihre Mutter sprechen.«
Das Gesicht Dhamaris verriet, daß er zutiefst dankbar war. »Ihr seid sehr freundlich. Ich wage kaum, Euch um einen weiteren Gefallen zu bitten, aber ...« Dhamari unterbrach sich, um sich zu räuspern. »Wenn das Kind lebt, könnt Ihr ihm ausrichten, daß ich es gerne sehen würde? Keturah war mein geliebtes Weib. Ich war gezwungen, mich von ihr scheiden zu lassen. Aber ich würde liebend gern und voller Stolz ihr Kind mein eigen nennen. Das Mädchen wüßte von seiner Mutter, aber es könnte auch den Namen des Vaters und seine Herkunft in Anspruch nehmen, dazu den Turm und alles, was sich in ihm befindet. Alles würde meinem Kind gehören, wenn ich tot bin.«
In Matteos Kopf drehte sich alles, da dieses Angebot so gewaltig war: eine Familie, ein Name, eine Herkunft, ein Ende der Verurteilung als Bastard und des lebenslangen Kampfs. Zwar pries man sie für ihre Rolle im Kampf in Akhlaurs Sumpf, doch alles Silber lief irgendwann an. Matteo wußte genug über die Art der Menschen, um zu erkennen, daß viele Leute einen Helden nur aus dem einen Grund in den Himmel hoben, um ihn nachher fallen zu sehen. Tzigone war der Bastard einer Magierin. Früher oder später würde das ans Licht kommen.
»Ich werde tun, was ich kann«, versprach er.
Dhamari lächelte. »Damit bin ich vollauf zufrieden. Doch Ihr – Ihr kamt
Weitere Kostenlose Bücher