Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
das?«
»Nein«, betonte Basel Indoulur. »Da sie so fest entschlossen ist, die Wahrheit über ihre Mutter zu erfahren, habe ich beschlossen, sie zu führen. Sie wäre früher oder später ohnehin zu Exchelsor gegangen. Als ich ihr vorschlug, sie solle doch einen vertrauenswürdigen Freund schicken, hatte ich erwartet, daß sie Euch fragen würde.«
»Habt Ihr mich erwartet?« Matteo wünschte sich fast, daß dem so wäre.
Indoulur dachte nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, aber ich bin froh, daß Ihr hier seid. Daß ich Tzigones Freund nun kenne, beruhigt mich.«
Matteo entging nicht die Zuneigung, die in Indoulurs Augen aufblitzte. »Sie bedeutet Euch viel.«
»Sie ist mir wie eine Tochter«, erklärte Basel. »Um Euch im Gegenzug zu beruhigen, will ich Euch im Vertrauen sagen, daß ich alles tun werde, um sie vor dem Stigma ihrer Geburt zu schützen. Wenn es herauskommen sollte, werde ich behaupten, ich sei ihr Vater.«
Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte Matteo das Gefühl, ihm werde der Boden unter den Füßen weggerissen. Wenn Basel die Vaterschaft beanspruchte, würde er auch zugeben, daß er Keturah nach ihrer Flucht gesehen hatte. Das war gegen das Gesetz, so wie es auch illegal war, außerhalb der strengen halruaanischen Vorgaben ein Kind zu zeugen, das zwei Magierlinien entstammte. Jedes dieser Vergehen hatte die sichere Ehrlosigkeit zur Folge. Doch Basel Indoulur war bereit, das für Tzigone zu tun. Einen Moment lang wünschte sich Matteo, dieser gute Mann sei wirklich sein Vater.
Doch würde ein guter Mann tatenlos zusehen, wie seine Frau ihren Verstand und ihre Magie zerstörte, um sicher zu sein, daß sie ein Jordain-Kind gebar? Matteos Ausbildung hatte ihn gelehrt, daß der Dienst an Halruaa an erster Stelle kam. Vielleicht hatte Basel das einst auch geglaubt und erfahren müssen, daß es andere Dinge gab, die ihm mehr am Herzen lagen.
Ein anderer Gedanke traf ihn wie ein Schlag, ein Nachbeben, das kein bißchen schwächer war als die erste Erschütterung. Was, wenn Basel Indoulurs Behauptung der Wahrheit entsprach? Was, wenn der Magier Tzigones Vater war ? Wenn das stimmte, dann war Matteos Freundin vielleicht auch seine Schwester! Als Matteo über diese komplexe Situation nachdachte, kam er zu der Erkenntnis, daß er keine dieser Möglichkeiten von der Hand weisen konnte. Wenn er dazu in der Lage war, würde er diese untypische Familie mit Stolz annehmen. Er suchte im Gesicht Indoulurs nach einer ähnlichen Erkenntnis, fand aber keinen Hinweis darauf.
»Ich habe Leute gesehen, die vom Blitz getroffen worden sind und nicht so starr waren wie Ihr«, sagte Indoulur mit schwachem Lächeln. »Und doch sind wir nicht so verschieden. Ich vermute, daß einer Eurer Gründe, Kiva so hartnäckig zu suchen, der ist, daß sie offensichtlich von Tzigones Herkunft weiß. Ihr wollt nicht, daß sie Tzigone noch mehr Schmerz zufügt.«
Matteo blinzelte. »So hatte ich das noch gar nicht gesehen.«
»Manchmal ist die Wahrheit im Innersten das, was man am schwierigsten sieht.« Der Magier sprach das Jordaini-Sprichwort wie jemand, der seit langem damit vertraut gewesen war.
Sie unterhielten sich noch einige Minuten lang, dann ging Matteo. Aus einer Laune heraus nannte er dem Kutscher den Namen eines Ortes, den er nur einmal aufgesucht hatte. Die Pferde trotteten gen Westen, vorbei an Häuserreihen, die aus Korallen gewachsen waren, durch ein Viertel mit schwindelerregendem Reichtum und Prestige. Schließlich stoppten sie an einem Garten, der von einer hohen Steinmauer umgeben war.
Er durchschritt das Tor und ging schnellen Schritts auf die Hütte zu, die er und Tzigone besucht hatten. Die Tür stand einen Spalt offen, er klopfte an und trat ein.
Eine Frau stand am Fenster und sah hinaus in den kleinen Garten hinter dem Haus. Die Arme hatte sie eng um ihren mageren Leib geschlungen.
»Mystra mit Euch, Mutter.« Es war nur die übliche höfliche Anrede für eine Frau in diesem Alter, doch das Wort fühlte sich überraschend sanft an, als es ihm über die Lippen kam.
Die Frau drehte sich um, und Matteo trat einen Schritt nach hinten, während er erschrocken nach Luft schnappte.
Es war nicht die Frau, die er hier gesehen hatte.
»Was habt Ihr erwartet?« wollte eine leise, zornige Stimme hinter ihm wissen.
Matteo drehte sich um und sah eine Frau, die die Kleidung einer Dienerin trug. Ihr Gesicht war rund und sanft, und es wäre hübsch gewesen, wenn sie den Mund nicht so wütend verzogen
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