Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
begehrten. Matteo konnte sich Themo als Jordain eines Kampfmagiers vorstellen, aber auch als jemanden, der zum Schwert griff und kämpfte, sobald er seinen Rat gegeben hatte, und wenn die Schlacht vorbei war, kehrte er zurück zu seinem Weib und einer Familie voller lebhafter Kinder. Ein solches Leben würde besser zu Themo passen als sein eigener Schatten, aber er würde es nie führen können, doch das würde er erst wissen, wenn es bereits zu spät war.
Warum war Matteo das Ritual erspart geblieben? Durch seine Probleme mit Kiva war er in Khaerbaal aufgehalten worden. Er war mit einem Tag Verspätung zum Kolleg zurückgekehrt und dann vor den anderen versteckt worden. Man hatte ihm verschwiegen, welches Ritual er versäumt hatte, was fast so belastend war wie das Ritual selbst.
Überrascht stellte er fest, daß er schon die Mauern von Procopio Septus’ Landhaus erreicht hatte. Er sah zur Sonne und erkannte, daß er zu früh war. Um diese Zeit beriet sich Procopio für gewöhnlich mit den anderen Ältesten. Matteo unterhielt sich eine Weile mit der Torwache, dann machte er sich rasch auf den Weg zu dem langen, flachen Gebäude, in dem die Reittiere des Magiers untergebracht waren. Dort fand er Iago, der ein Pegasus-Fohlen pflegte und mit größter Sorgfalt das weiße Fell glättete.
Der Jordain sah auf, als Matteo zu ihm kam. Seine Miene hellte sich auf. »Königin Beatrix hat eingewilligt?«
»Ich hatte noch keine Gelegenheit zu fragen«, erwiderte Matteo langsam. »Königin Beatrix hat mir seit Tagen keine Audienz gewährt. Aber es wird kein Problem sein, sie davon zu überzeugen, daß sie deine Dienste braucht. Im Moment wirkst du aber im Dienst Meister Procopios gar nicht so unglücklich.«
Iago warf einen Blick auf die Ställe, um zu sehen, ob jemand lauschte. »Du hattest recht, was Procopios Absichten angeht. Er hat vor, Zalathorm auf dem Thron nachzufolgen.«
»Procopio hat vor seinen Ratgebern schon immer offen gesprochen«, erwiderte Matteo vorsichtig. »Der König hat keinen Nachfolger benannt, und das stachelt seinen Ehrgeiz an. Doch Ehrgeiz kann entweder der Vater der Errungenschaft oder des Verrats sein. Hat Procopio etwas unternommen, womit er diese Grenze überschreitet?«
»Nichts spezifisches«, sagte Iago. »Aber er wirkt übermäßig an Berichten über Unruhen im Westen und Norden interessiert. Er ist Bürgermeister der Stadt des Königs. Diese Dinge liegen außerhalb seiner Autorität.«
»Sie liegen auch außerhalb deiner und meiner Autorität«, ermahnte Matteo ihn. »Doch du kannst nicht darauf warten, daß Königin Beatrix um deine Dienste ersucht, damit wir dann in die Nordlande reiten können.«
Iago stimmte mit einem Schulterzucken zu. »Ich habe aus meinem Dienst bei Kiva viele Narben davongetragen. Eine der schmerzlicheren davon ist Unzufriedenheit. Unser Leben lang werden wir im Kampf ausgebildet, nur um dabeizustehen und einen Rat zu geben. Es ist schwer, untätig zu sein, nicht wahr?«
Er wartete darauf, daß Matteo seine Meinung dazu sagte. Lange war nur das Geräusch der Bürste und das zufriedene Summen des Fohlens zu hören.
»Auf der Reise nach Halarahh erinnertest du mich daran, daß ich das Reinigungsritual versäumte. Woher weißt du das?«
Iago hielt mitten in der Bewegung inne; Augenblicklich unterbrach das Fohlen sein Summen und trippelte ungeduldig, bis Iago wieder in den alten Rhythmus verfiel. »Ich sprach mit der Wache, die dich am nächsten Tag durchgelassen hatte.«
Vor Matteos geistigem Auge entstand das Gesicht des Mannes – gebräunt wie Sattelleder, mit tiefen Falten und eingerahmt von grauen Haarbüscheln. Zwar war der Mann im Jordaini-Kolleg, solange Matteo zurückdenken konnte, doch er konnte sich nicht daran erinnern, ihn beim letzten Besuch gesehen zu haben. »Das müßte Jinkor gewesen sein. Geht es ihm gut?«
»Er ist tot«, sagte Iago bitter. »Vor dir steht der Mann, der ihn umgebracht hat.«
Matteo ließ sich auf einen Ballen feuchten Heus sinken. »Wie kam es dazu?«
»Er mochte Haerlu-Wein. Wußtest du das?«
»Nein.«
»In der Zeit am Kolleg brachte ich ihm gelegentlich eine Flasche mit. Er trank immer nur einen Kelch. Darum war ich erstaunt, als er eine Flasche entkorkte und trank, als wolle er unbedingt den Flaschenboden sehen, bevor er Luft holen mußte. Ich nahm an, er wolle Sorgen ertränken, also setzte ich mich zu ihm, falls er jemanden brauchte, der ihm zuhörte.«
»Das war gut.«
»Es war eine gute Absicht«, sagte
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