Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
vor Procopios Büro vorbei und platzte in den Raum. Als der Magier sah, wer ihn aufgesucht hatte, schickte er die Wache weg.
»Du mußt sehr besorgt sein, Jordain, daß du auf eine so unangemessene Weise in mein Büro eindringst«, stellte Procopio völlig ruhig fest.
»Was habt Ihr wegen Kiva unternommen?« fragte Matteo.
»Kiva?« wiederholte Procopio Septus verständnislos.
Matteo atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe. »Keiner von uns ist ein Narr, aber wenn Ihr mich so behandelt, dann wirft das auf uns beide den Schatten des Zweifels.«
Procopio nahm Matteos Worte mit einem knappen Nicken zur Kenntnis und wies auf einen Stuhl. Der Jordain schüttelte nur den Kopf und blieb stehen – ein weiterer Verstoß gegen das Protokoll.
»Ich sehe, diese Angelegenheit ist für dich von einiger Bedeutung«, begann der Magier.
»Kiva«, erwiderte Matteo nur, da er das Geschick Procopios kannte, wenn es darum ging, vom Thema abzuschweifen.
Procopio lächelte. »Nun gut. Was habe ich wegen Kiva unternommen? Kurz gesagt: nichts.«
Er hob die Hand, um Matteos unangemessene Erwiderung zu unterbinden. »Ich will zugeben, daß meine Nachlässigkeit Eigennutz ist. Sicher ist dir klar, daß Zephyrs Verrat auch auf mich als seinen Herrn abfärbt.«
Matteo nickte.
»Es heißt, die Zeit sei reif für einen neuen Oberbürgermeister«, fuhr Procopio fort. Er machte eine ausladende Geste, die sein Arbeitszimmer genauso einschloß wie den Blick auf die Stadt. »Wie du siehst, steht für mich einiges auf dem Spiel. Aber wenn ich beginne, mich mehr mit meinem Erfolg als mit dem Wohl Halruaas zu befassen, ist vielleicht wirklich die Zeit für den Rücktritt gekommen.«
Das entwaffnete Matteo. Noch nie hatte er den arroganten Erkenntnismagier so bescheiden erlebt. Matteo ging der Gedanke durch den Kopf, Procopio versuche vielleicht doch nur wieder, vom Thema abzulenken. Eine solche Manipulation kam einer Beleidigung gleich, doch er beschloß, sich anzuhören, wohin der Magier abschweifen wollte. »Das wäre ein großer Verlust für die Stadt, Herr.«
Procopio Septus’ Lächeln war schwach und selbstironisch. »Du dienst mir nicht mehr, Matteo. Du mußt nicht mehr darauf achten, milde Worte für mich zu finden.«
»Wann habe ich das je getan?«
Der Magier zwinkerte, dann lachte er laut. »Gut gesagt! Du hast mich immer darauf hingewiesen, wenn ich im Irrtum war. Vielleicht sollte ich deinem Urteil trauen, wenn du sagst, daß ich mich nicht irre.«
»Ganz so weit würde ich nicht gehen«, sagte Matteo kühl. »Verzeiht, wenn ich so offen spreche, doch ich habe weder die Zeit noch die Geduld für taktische Geplänkel. Habt Ihr die Azuth-Kirche dazu überredet, Kiva zu exkommunizieren?«
Das Gesicht des Magiers wurde schlagartig blaß, was für Matteo Antwort genug war.
»Bist du dir da sicher?« fragte Procopio.
Matteo reichte ihm den Erlaß. Das Gesicht Procopios versteinerte sich, als er las. »Das ist nicht mein Werk. Ich gebe dir mein Wort als Magier«, sagte er finster.
»Das ist nicht nötig.« Matteo verbeugte sich. »Wenn ich Euch beleidigt habe, Herr, dann bitte ich um Verzeihung.«
»Du hast mir eine Erkenntnis gebracht. So etwas kann schmerzhaft sein, aber ich schätze es.« Der Magier betrachtete Matteo neugierig. »Bist du glücklich im Dienste Königin Beatrix’?«
»Es ist eine Ehre, die ich kaum hätte ausschlagen können, als sie mir angetragen wurde«, erklärte Matteo.
»Du wirst dich jetzt auch nicht mehr von ihr trennen können, schätze ich«, sagte Procopio. »Eine Schande. Du bist ein guter Ratgeber, aber es scheint, als spiele sich deine wichtigste Arbeit außerhalb des Palastes deiner Herrin ab. Ich kann dich unterstützen. Doch sei gewarnt, daß nicht jeder, dem du begegnest, gleichgesinnt sein wird.«
»Das habe ich schon erfahren müssen«, erwiderte Matteo und machte sich das Angebot des Magiers zunutze, indem er im von dem Angriff im Kühlhaus berichtete.
Der Magier nickte nachdenklich. »Titel und Taten können in dieser Stadt sehr kompliziert sein, aber es sollte nicht zu problematisch sein, den Eigentümer dieses Gebäudes in Erfahrung zu bringen. Ich werde mich darum kümmern.«
Nachdem Matteo gegangen war, setzte Procopio sich und lauschte, wie die Schritte des Jordain leiser und leiser wurden. Als er sicher war, daß Matteo nicht zurückkehren würde, sprang er auf und warf beide Arme in die Luft. Gleißendes Licht schoß aus dem Boden wie der Flammenodem eines Drachen und hüllte
Weitere Kostenlose Bücher