Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
ich kann keine Magie wirken«, fügte er an. »Ich kann die Kugel nur nutzen, wenn mir ein Magier behilflich ist.«
»Ein Magier«, wiederholte Beatrix. Matteo hatte das Gefühl, in ihrer Stimme einen ironischen Unterton zu hören. »Berühre die Kugel, mehr braucht es nicht.«
Matteo trat in die kleine Ausspähungskammer und schloß die Tür. Kugeln hingen an kunstvoll geknoteten und geflochtenen Bändern oder lagen auf Säulen, während andere ohne erkennbaren Halt mitten in der Luft schwebten. Zaghaft streckte er die Hand aus, um den sanften, schwebenden Mondstein zu berühren, der dem in Ferris Grails Arbeitszimmer entsprach. Die Kugel begann zu leuchten, und einige Augenblicke später klarte die matte Oberfläche auf und zeigte das Gesicht des Kollegleiters.
Dem Direktor des Kollegs fiel das Gesicht herunter, als ihm die Identität seines Gegenübers bewußt wurde. Matteo fragte sich, ob die überraschte Reaktion auf die Verletzung der Jordaini-Regeln oder darauf zurückzuführen war, daß Ferris Grail glaubte, Matteo sei den Schlägern im Kühlhaus zum Opfer gefallen.
Matteo beschloß, die Frage zu klären. »Ihr habt nicht erwartet, mich zu sehen, Meister Ferris, und das nicht nur wegen des Verbots, das der Orden auferlegt.«
Der Magier zog die Brauen zusammen, bis sie ein zorniges V bildeten. »Wenn du eine Frage hast, sprich. Ich habe keine Zeit für Spiele und Rätsel.«
»Zweifellos seid Ihr ein sehr beschäftigter Mann, zumal sich zu Euren Pflichten am Kolleg auch noch die Sorgen eines Hauseigentümers gesellen«, erwiderte Matteo. »Stellt Euch meine Überraschung vor, als ich erfuhr, daß ein Kühlhaus in der Stadt des Königs auf Euren Namen läuft.«
»Na und?« verlangte Ferris zu wissen. »Ich bin Leiter des Kollegs, aber ich bin kein Jordain, sondern Magier. Kein Gesetz kann mir Eigentum verbieten.«
»Das ist Haarspalterei.«
»Es ist praktisches Denken«, konterte der Leiter. »Die meisten Magierfürsten Halruaas häufen Reichtümer an. Mein Gehalt am Kolleg genügt meinen gegenwärtigen Ansprüchen. Doch was ist mit der Zukunft? Ich kaufe solche Immobilien, wenn ich das Gefühl habe, der Wert werde steigen, damit ich genug zum Leben habe, wenn ich das Kolleg einmal verlassen werde. Nicht, daß ich dir mein Geschäftsgebaren erklären muß.«
»Es gibt aber eine Kleinigkeit, die der Erklärung bedarf«, sagte der Jordaini rasch. »Als meine Begleiterin und ich von den Dieben angegriffen wurden ... warum haben sie uns zu Eurem Kühlhaus gebracht, um uns dort aus dem Weg zu räumen?«
Die Überraschung im Gesicht des Magiers wirkte zu überzeugend, um gespielt zu sein. Vielleicht, räumte Matteo ein, wußte Ferris Grail tatsächlich nichts von dem Angriff. »Wollt Ihr mehr darüber hören?« fragte er in gemäßigterem Tonfall.
»Ich glaube, das wäre gut«, sagte der Leiter des Kollegs grimmig.
Matteo schilderte in knappen Worten, was sich zugetragen hatte. »Ihr werdet mit Sicherheit über meine Beschwerde bei der Obrigkeit informiert werden.«
»Wenn mehrere Männer in diesem Kühlhaus ums Leben kommen, dann erwarte ich auch nichts anderes! Du weißt, daß du vor dem Runden Tisch erscheinen mußt, wenn es zu einer rechtlichen Untersuchung deiner Taten kommt. Zum dritten Mal in diesem Jahr, wenn ich mich nicht irre.«
»Es wird keine Untersuchung geben, da es keine Leichen gibt.« Matteo beschrieb, wie sich alle Angreifer – ob verwundet oder tot – in Nichts aufgelöst hatten.
Ferris Grails Gesicht wurde fast so bleich wie die Kugel aus Mondstein. »Die junge Frau, die mit dir dort war ... hat sie auch in Akhlaurs Sumpf an deiner Seite gekämpft?«
»Ja«, sagte Matteo knapp und erwartete eine mittlerweile vertraute Predigt.
Ferris warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu. »Du verbringst viel Zeit mit diesem Weib. Mehr, als es sich für einen Jordain ziemt.«
»Es scheint unser Schicksal zu sein, daß sich unsere Wege oft kreuzen«, sagte er. »Ich finde, Ihr solltet Euch viel mehr Sorgen um Kiva machen. Was wißt Ihr über sie?«
»Das gleiche wie du und nicht mehr«, erwiderte der Direktor. »Ja, der Azuth-Tempel hat mit mir Kontakt aufgenommen und mir von ihrer Flucht berichtet. Ich war damit einverstanden, daß der Jordaini-Orden diese Nachricht vertraulich behandelt.
Dies sind schwere Zeiten. Gerade angesichts des Überfalls auf den Spiegel der Herrin ist es wichtig, daß die Azuthaner nicht übermäßig verwundbar scheinen.«
»Ich würde sagen, die Zeiten
Weitere Kostenlose Bücher