Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
und dennoch hätte Keturah weiterleben können, wenn Kiva nicht auf den Plan getreten wäre.
»Du kanntest Kiva«, sagte Tzigone. »Hast du sie beauftragt, Keturah zu finden?«
Dhamari Exchelsor schwieg eine Weile. »Ja. Ich muß es zu meiner ewigen Schande und meinem Bedauern eingestehen. Sie hatte Fähigkeiten, die ich für nützlich hielt. Kein Mensch kennt den Wald so wie eine Elfe.«
»Aber meine Mutter wurde in einer Stadt gefaßt!«
»Das ist richtig, aber dem war eine lange Suche vorausgegangen.« Weiter sagte Dhamari Exchelsor dazu nichts, da es nicht nötig war. Tzigones junges Leben war durch diese Suche geprägt gewesen. »Kiva hat mein Vertrauen mißbraucht und Keturah getötet. Sie sagte mir, sie habe auch Keturahs Kind getötet. Sie verhöhnte mich und gab mir das Medaillon als Beweis.«
»Hast du versucht, Rache zu üben?«
»Nein.« Dieses Eingeständnis schien Exchelsor zu beschämen. »Zu der Zeit war Kiva eine Inquisitorin für Azuth geworden – eine Bluthündin. Ich hätte vielleicht gegen jemanden von so hohem Rang siegen können, aber es ist wahrscheinlicher, daß ich gescheitert und entehrt worden wäre.«
Dhamari Exchelsor seufzte müde. »Ich weiß, daß ich nie einer der großen halruaanischen Magier sein werde. Keturah wäre es gewesen, hätte Kiva sie nicht getötet. Ich betrachtete schlicht meine Chancen im Angesicht des Scheiterns einer besseren Magierin. Die Gesetze Halruaas sind ein mächtiger Schutz, aber manchmal kommen sie auch einer dunklen Festung gleich. Hin und wieder verbirgt sich eine Tyrannin wie Kiva hinter ihnen und steigt zur Macht auf. Die Gesetze haben sie unterstützt und ihr geholfen, jedenfalls für eine Weile.«
»Diese Zeit ist abgelaufen«, sagte Tzigone.
»Das haben wir zu einem großen Teil dir zu verdanken. Keturah wäre stolz auf dich.« Dhamari Exchelsor lächelte sie traurig an.
Tzigone erhob sich. »Ich sollte jetzt gehen.«
Exchelsor betrachtete sie besorgt. »Bist du in Meister Basels Turm glücklich? Er ist ein guter Mann, versteh mich richtig. Aber ich frage mich, ob der Weg eines Beschwörers deinen Talenten am besten entspricht. Deine Mutter war eine Meisterin ihres Fachs. Vielleicht willst du noch andere Zweige unserer Kunst kennenlernen, bevor du dich für einen entscheidest.«
»Gute Idee«, sagte Tzigone, ohne sich festzulegen, da sie wußte, was als nächstes kommen würde. Mehr als ein Magier hatte versucht, sie aus Basel Indoulurs Turm wegzulocken.
Er zuckte bescheiden die Achseln. »Ich bin ein Allgemeinmagier mit bescheidenen Talenten, aber ich habe von Keturah viele Zauber gelernt. Wenn du willst, würde ich sie dir gerne beibringen. Nicht als Meister – ich besitze nicht Meister Basels Talent als Lehrer –, sondern als ein Geschenk, im Gedenken an deine Mutter.«
»Ich werde mit Basel sprechen.«
Ihre Zustimmung überraschte sie beide. Dhamari blinzelte, dann drehte er den Kopf weg, um möglichst unbemerkt eine Träne wegzuwischen.
Ihr ganzes Leben lang hatte Tzigone Keturahs Tod als ihren persönlichen Schmerz gesehen. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, daß der Mann ihrer Mutter die gleiche Last auf seinen Schultern trug.
»Ist morgen gut?« fragte sie plötzlich.
Dhamari Exchelsors Augen leuchteten auf. »Wenn es deinem Herrn genehm ist.«
Etwas an seinem Tonfall ließ Tzigone aufhorchen. »Warum sollte es nicht? Hat Basel Indoulur Grund, dem zu widersprechen?«
»Nicht wirklich«, sagte er langsam. »Basel Indoulur und Keturah waren seit ihrer Kindheit Freunde. Ich glaube, er hielt sich sogar für etwas mehr als nur ihren Freund. Von heute aus gesehen ist das allerdings nur schwer vorstellbar.«
»Das sehe ich nicht so.« Tzigone konnte sich sogar gut vorstellen, wie ein junger Basel Indoulur der Gefährte und Mitverschwörer Keturahs war. »Warum ist daraus nichts geworden?«
»Magier entscheiden nicht selbst, wen sie heiraten. Meister Basel stammt aus einer langen Linie von Beschwörern, und es wurde angenommen, daß er die Familientradition mit einer Frau fortführen würde, die dieselbe Kunst betreibt. Ich habe ein Gerücht gehört, er habe dem Rat seine Wunschpartnerin genannt, und sie wurde ihm verwehrt. Wenn er einen Groll gegen mich hegt, kann ich es ihm nicht verdenken.«
Dhamari Exchelsor machte eine kurze Pause. »Magier haben mit ihrer Ehe selten soviel Glück wie ich. Ich habe deine Mutter geliebt, Tzigone, und ich habe viele Jahre gebraucht, um den Gedanken zu akzeptieren, daß sie tot ist.
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