Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)
Jahren wusste ich noch nicht einmal was Kapitalanlagen sind, schweiften meine Gedanken nach nur einem Satz auch schon wieder ab. Da ging ich noch in die Schule und war mir mit meinem damaligen Freund einig, dass wir niemals BWL oder anderen Quatsch studieren würden. Der Sinn des Lebens war für uns zwar noch nicht da, aber Spießigkeit ging auf alle Fälle gar nicht. Die Frage nach unseren Berufswunsch stellten wir uns gar nicht, und wenn ältere Familienmitglieder fragten, sagten wir immer, wir werden die Welt verändern. Das glaubten wir damals wirklich. Dann verstummten die Befrager und ließen uns erst mal wieder in Ruhe.
„Sag mal“, sprach John mich von hinten an, „kann ich das so schreiben?“.
„Adressaten für die Ratings von Versicherungsgesellschaft sind nicht nur die potenziellen Kunden, sondern auch die Investoren“, las er laut vor.
„Wofür brauchst du den Text denn?“, fragte ich .
„Für die Presse. Die wollen wissen, wie wir in diesen Zeiten, in denen fast alle Unternehmen nur noch schlechtere Ratings als im Vorjahr erhalten, noch Ratings verkaufen “.
„Oh, Mann “, seufzte ich. „Das muss man irgendwie anders angehen. Netter und besser rüberbringen“.
Das bestätigte dann auch John und ließ die Arbeit auch netterweise bei mir.
„Du kannst das bestimmt gut“, schmierte er mir um die Backe. Nein, nein, wollte ich schreien. Ich hab so schon viel zu viel zu tun, ließ es dann aber doch nicht raus. Was für eine Ehre, versuchte ich mich zu ermuntern. So eine Chance krieg ich so schnell nicht wieder, fügte ich dem hinzu. Mein innerer Schweinehund lachte immerhin leise mit mir und mich auch an, nicht aus.
Denn w enn ich mal irgendwann so weit oben bin, weiß ich dann auch, wie ich meine Arbeit los werde und mir dann hier einen schönen Tag machen kann, im Einzelbüro, mit Telefon und Internet und genügend Geld für Starbucks-Kaffee. Aber nun ja. Was sagt die glückliche Azubine? Dann mach ich mich mal an die Arbeit. Dann gehorchte mein Gehirn auch mal wieder und ich haute in die Tastatur, bevor jemand diesen Gedankengang unterbrach.
Der Aktienboom der 90er Jahre fiel mir direkt ein und der schaffte es auch, dass immer mehr Versicherer in Aktien investierten. Sch on bald bestand das Kreditportfolio vieler Unternehmen aus vielen Aktien. Und die Meute ging steil. Hätten sie gekonnt, hätten sie mehr als 30% ihres Portfolios in Aktien investiert, taten sie aber nicht, weil sie nicht konnten beziehungsweise durften.
Immerhin entwickelte sich in dieser Zeit das ALM. Das Asset Liability Management. Von dem viel erwartet und in das viel investiert wurde. Daraus entwickelte sich dann ein ganzer Rattenschwanz an neuen Regeln und als die Märkte dann Anfang 2000 zusammenbrachen, hatte man schon viel gelernt und schuf auf die Schnelle den Paragraphen 341b. Abschreibungen für Wertpapiere mussten nun nur noch vorgenommen werden, wenn die Wertminderung dauerhaft war. Niemand hatte dabei ein schlechtes Gewissen oder ein schlechtes Gefühl. Dauerhaft klingt immer gut. Und schließlich hatte es schon immer Tiefs und Hochs gegeben. Und mit der Zeit, gab es immer mal wieder Grund für ein Höhenfeuerwerk. Und das wird mit den Ratings wahrscheinlich auch so sein. Die Frage nach den Adressaten für Ratings beantwortete ich zwar nicht, aber man muss nur nette Dinge zur Ablenkung schreiben. Dann lassen sie einen schon in Ruhe. Dachte ich und gab den Artikel in meiner Email in die Post. John sah das dieses Mal aber doch wieder anders und ließ mit seinem Generve, das ich ja schon kannte, nicht lange auf sich warten.
„Sag mal“, sagt e er, schon wieder von hinten, „was wolltest du denn damit sagen?“.
„ Ach“, seufzte ich. „Die E-Mail war noch nicht fertig“, log ich. „Ist einfach so mitten im Schreiben rausgegangen“, setzte ich noch drauf. John verschwand beruhigt wieder in seinen Stall, und ich googelte auch schon wieder durch die Gegend.
Ratings sind Meinungen. Ja, jeder hat seine eigene und sollte die auch haben. Ratings sind dahingegen die Meinungen der Agenturen, welche si ch aus vielen Bausteinen zusammensetzen. Und die dann von den Investoren, den Kunden, den Unternehmen, den Banken, den Versicherungen, den Staaten genutzt werden. Das kann man natürlich auch selber machen. Aber das dauert dann und gibt vielleicht ein falsches Ergebnis, da man sich nicht auskennt oder sich sogar vertan hat. So wie der Lehrer in der Schule damals, der dir deinen Aufsatz nur mit
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