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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sollte er seine wöchentliche Inspektion der Vorräte an Reis und Lebensmitteln durchführen. Die Vorräte stimmten immer, denn Oberstleutnant Jones war tüchtig und der Aufgabe hingegeben und wog die täglichen Reisportionen höchstpersönlich und in aller Öffentlichkeit ab. Deshalb bestand nie die Gelegenheit für irgendeine Gaunerei.
    Grey bewunderte Oberstleutnant Jones und mochte seine Art, alles selbst zu tun – dann konnten keine Fehler unterlaufen. Er beneidete ihn auch, denn für einen Oberstleutnant war er noch sehr jung. Eben erst dreiunddreißig. Es macht einen krank, dachte er bei sich, er ist Oberstleutnant und du bist Leutnant – und der einzige Unterschied besteht darin, daß man zur richtigen Zeit den richtigen Posten hat. Aber trotzdem, es geht dir ganz gut, und du schaffst dir Freunde, die für dich eintreten werden, wenn der Krieg vorbei ist. Jones war allerdings Reserveoffizier, so daß er also nachher nicht im Dienst bleiben würde. Aber Jones war befreundet mit Samson und auch mit Smedly-Taylor, Greys Vorgesetztem, und er spielte Bridge mit dem Lagerkommandanten. »Verdammtes Schwein hat der Kerl. Ich kann ebensogut Bridge spielen wie du, aber ich werde nicht eingeladen, und dabei arbeite ich härter als jeder andere.«
    Als Grey die Verpflegungsbaracke erreichte, war die Ausgabe der Reisrationen noch im Gange.
    »Morgen, Grey«, grüßte Jones. »Ich komme gleich.« Er war ein großer Mann, hübsch, sehr gebildet, ruhig. Er hatte ein jungenhaftes Gesicht und den Spitznamen Pimpfenoberst.
    Grey stand da und beobachtete, wie die von jeder Küche Abkommandierten – ein Unteroffizier und ein Soldat – an die Waage traten. Jede Küche stellte zum Abholen der zugeteilten Rationen zwei Mann ab – einen, um den anderen im Auge zu behalten. Die Liste, die von den Vertretern der Küche vorgelegt wurde, wurde geprüft, und der Reis wurde abgewogen. Dann wurde die Verteilungsliste abgezeichnet.
    Als die letzte Küche ihre Ration erhalten hatte, nahm der Quartiermeister, Unteroffizier Blakely, den Sack mit dem restlichen Reis auf und trug ihn in die Baracke. Grey ging hinter Oberstleutnant Jones in die Baracke hinein und hörte abwesend zu, als Jones ihm müde die Zahlen vorlas. »Neuntausendvierhundertunddreiundachtzig Offiziere und Mannschaften. Zweitausenddreihundertundsiebzig und drei viertel Pfund Reis sind heute ausgegeben worden. Ein halbes Pfund je Mann. Ungefähr zwölf Säcke.« Er nickte zu den leeren Jutesäcken hin. Grey sah zu, wie er sie zählte, und er wußte, daß es zwölf sein würden. Dann fuhr Jones fort: »In einem Sack fehlten zehn Pfund« – das war nicht ungewöhnlich –, »und der Rest wiegt neunzehn ein viertel Pfund.«
    Der Oberstleutnant ging zu dem fast leeren Sack hinüber, hob ihn hoch und stellte ihn auf die Waage, die Unteroffizier Blakely inzwischen in die Baracke hineingezogen hatte. Sorgfältig legte er die Gewichte auf die Platte, bis neunzehn ein viertel Pfund darauf lagen. Der Sack hob sich und pendelte sich ins Gleichgewicht ein.
    »Stimmt«, lächelte er zufrieden und sah Grey an.
    Alles andere – eine Rinderhälfte, sechzehn Fässer Stockfisch, vierzig Pfund Gula Malacca, fünf Dutzend Eier, fünfzig Pfund Salz und Säckchen mit Pfefferkörnern und getrocknetem rotem Chili – stimmte ebenfalls genau.
    Grey zeichnete die Lagerbestandsliste ab und fuhr zusammen, als ihn ein neuer Krampf durchzuckte.
    »Ruhr?« fragte Jones besorgt.
    »Nur ein kleiner Anfall, Sir.« Grey sah sich im Halbdunkel um und grüßte dann. »Danke, Sir. Bis nächste Woche.«
    »Danke, Leutnant.«
    Beim Hinausgehen wurde Grey wieder von einem Krampf überfallen, taumelte gegen die Waage und stieß sie um, so daß die Gewichte auf den Erdboden fielen.
    »Entschuldigung«, fluchte Grey. »Verdammt blöde von mir.« Er hob die Waage auf und tastete auf dem Boden nach den Gewichten herum, aber Jones und Blakely lagen bereits auf den Knien und hoben sie auf.
    »Machen Sie sich keine Mühe, Grey«, sagte Jones und fuhr dann Blakely an: »Ich habe Ihnen schon oft gesagt, Sie sollen die Waage in die Ecke stellen.«
    Aber Grey hatte bereits ein Zweipfundgewicht aufgehoben. Er konnte nicht glauben, was er sah, und er trug das Gewicht zur Tür und untersuchte es bei Licht, um auch ganz sicher zu sein, daß ihm seine Augen keinen Streich spielten. Sie taten es nicht. Im Boden des Eisengewichtes war ein kleines Loch, das fest mit Lehm zugeschmiert worden war. Mit dem Fingernagel bohrte

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