Rattentanz
dem Geräusch zusammen, behielt aber seine Au gen weiter fest geschlossen und bewegte leise die Lippen. Tränen rannen ihm über die Wangen, das schwarze, struppige Haar stand wild vom Kopf ab und von der vorstehenden Unterlippe tropfte Speichel.
Yippi-ya-ya, yippi-yippi-jooo, der Tod befreit uns und spült uns durch sein Klooo!
»Hallo Sie, es ist vorbei!« Eva streckte Thomas ihre Hand entgegen. Der presste die Augen zusammen. Unter ihm bildete sich eine warme Pfütze.
»Auch das noch!«, rief Beck und trat einen Schritt zurück. »Der hat sie doch nicht alle!«
»Hätten Sie auch nicht nach über dreißig Stunden in diesem finsteren Loch!«, wies ihn Eva zurecht und kletterte zu Thomas Bachmann in den Aufzug.
Eine Putzfrau. Ich wusste es! Geh zur Seite und lass sie ihre Arbeit machen.
Thomas zitterte am ganzen Leib. Als Eva sich neben ihn kauerte und ihre Hände auf seine Schultern legte, sprang er auf und riss die Augen auf.
»Nein!«, schrie er laut, sodass Beck sich nach dem Stemmeisen umsah und an die Tür trat. »Geh weg von mir! Lass mich bitte, ich will doch noch nicht sterben!«
»Sie müssen nicht sterben, nicht jetzt.« Eva stand auf. »Sehen Sie mich an, sieht so jemand aus, der Ihnen Leid zufügen möchte?«
Der Tod hat tausend Gesichter und Millionen Schatten. Er wandelt als liebliches Blümchen unter uns, bevor er sich die Maske vom Gesicht reißt und seine hässliche Fratze enttarnt. Und dann wird er sein ver- faultes Gebiss offenbaren und seine braunen Zahnstummel in unsere Hälse rammen, hohoho.
»Ich heiße Eva. Ich bin Krankenschwester.« Eva legte ihre Hand in seine gefalteten Hände. »Es ist vorbei«, versuchte sie Thomas zu beruhigen. »Sie können herauskommen und gehen, wohin Sie wollen.«
Mein Bett, ich will in mein Bett!
Thomas blinzelte an Eva vorbei nach oben. Die Tür hatte sich geöffnet, aber da der Aufzug zwischen zwei Etagen festsaß, flutete das Licht nur aus der oberen Hälfte in die Kabine. Dort stand Joachim Beck und beobachtete, was unten vor sich ging. Bereit, Eva beim kleinsten Anzeichen von Gefahr zu Hilfe zu eilen. In der Hand hielt er das Stemmeisen.
»Wer ist das?«, fragte Thomas schließlich unter Aufbietung all seines Mutes.
Gevatter Tod natürlich, wer sonst!
Das hier ist die Putzfrau und da oben wartet ihr Aufseher.
»Joachim Beck. Er ist Polizist und er ist ein Freund.«
Ein Polizist? Polizisten waren die Guten. Der Tod war böse. Also konnte ein Polizist nicht der Tod sein, denn gut war nicht böse. Wenn es wahr war, was die Frau da sagte, dann war es vielleicht wirklich vorbei.
»Kommen Sie nach draußen. Wir helfen Ihnen.« Eva nahm Thomas an der Hand und zog ihn zur Tür.
»Meine Tasche! Und mein Tee!« Er riss sich los, packte die Thermoskanne in die schwarze Aktentasche und klemmte diese unter seinen Arm. So, jetzt war er bereit. Jetzt konnte er gehen.
Er nahm Becks ausgestreckte Rechte und ließ sich von ihm aus dem Aufzug helfen. Wieder begann er zu weinen, aber diesmal aus Freude. Das Gefängnis war verlassen, der Tod besiegt. Jetzt wollte er nach Hause und sich in sein Bett legen. Und essen. Und viel, viel trinken.
Fuchs beobachtete, wie der Bulle und sein Mädchen (sicher war sie sein Mädchen) durch den Haupteingang das Donaueschinger Krankenhaus verließen. Aber sie hatten jetzt noch jemanden bei sich, einen mageren, seltsamen Kerl mit unsicherem Gang. Und einem großen Fleck in der Hose! Fuchs lächelte. »Scheint heute der Tag der Bettnässer zu sein«, murmelte er und dachte an Ritter und dessen durchweichtes Beinkleid.
Die beiden führten den Neuen in ihrer Mitte. Der ging stockend, als müsse er nach einigen Wochen Krankenbett das Laufen erst wieder erlernen und sich sein Gleichgewichtssinn neu an den vergessenen Zustand des aufrechten Gangs gewöhnen. Die drei setzten sich auf eine Bank und der Neue genoss sichtlich die wärmende Spätnachmittagsonne. Der Bulle stand auf und setzte sich wieder. Und stand erneut auf. Er gestikulierte mit beiden Händen und redete auf sein Mädchen ein. Schließlich schienen sie sich einig. Sie erhoben sich alle drei, nahmen den Neuen wieder in ihre Mitte und gingen davon. Ganz langsam.
Fuchs wartete, bis sie hinter der nächsten Kurve verschwunden waren. Dann verließ er sein Versteck, dabei sorgsam darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden.
»Da läuft mein Geld«, flüsterte er, als er sie wieder sah. »Aber du hast es nicht mehr lange. Das versprech ich dir, Bulle! Nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher