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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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es der Sonnenkraft überlassen war, das Wasser zu verdunsten. So entstanden die ersten, noch recht primitiven Salinen der neuen Zeit. Das Produkt fand reißenden Absatz und wurde gegen Lebensmittel eingetauscht. Der kleine Beutel, dessen Inhalt Malow auf den Küchentisch schüttete, war nicht mehr als eine erste Probe. Wollte man mehr, musste man die Reise ein zweites Mal unternehmen, dann allerdings mit einem Gespann voller Getreide, Obst und Fleisch.
    »Wie viel wollen die für ein Kilo Salz?!« Hans Seger konnte den horrenden Preis nicht fassen.
    »Einen halben Sack Getreide oder einen Sack Obst oder sieben Kilo Fleisch«, wiederholte Malow. Er selbst hatte, als er die Preise erfuhr, nicht anders reagiert. Als man ihm aber zeigte, wie mühselig die Salzgewinnung war, erschien der geforderte Lohn in einem anderen Licht. »Wir können bezahlen oder wir können es lassen und uns vielleicht in Bad Zurzach umsehen«, sagte Malow. »Aber ob wir es dort billiger bekommen …?«
    »Ist momentan auch zweitrangig«, sagte Hans. Er fuhr mit der Hand kante über die Tischplatte, schob das Salz zusammen und ließ es zurück in den Beutel rieseln. Dann erzählte er Malow von der Versamm lung in der vergangenen Nacht und dem Urteil gegen Kiefer.
    »Es soll noch heute vollstreckt werden?«
    »Am frühen Abend. Bardo zimmert gerade den Galgen, du musst daran vorbeigekommen sein.«
    Malow nickte. »Wer soll den Henker spielen?«
    Hans lächelte gequält. Diesen Punkt zu klären, hatte sich als das wirkliche Problem der letzten Nacht herausgestellt. Fast noch schwieriger als die Verurteilung Kiefers selbst. Ein Todesurteil war schnell gespro chen, die Hände wollte sich allerdings niemand schmutzig machen.
    »Uwe Sigg wird die zweifelhafte Ehre zuteil, Wellendingens erster Henker zu sein.«
    »Sigg? Ist das nicht der, der sich aus Kiefers Wagen bedient hat und auch nicht zu Fausts Beerdigung gekommen ist?« Malow war Siggs Ver halten noch gut im Gedächtnis. Wenn er auch Mühe hatte, sich all die neuen Namen und die dazugehörigen Gesichter zu merken, Uwe Sigg und seine Frau Lisa hatten sich ihm eingeprägt.
    »Genau das ist Uwe Sigg. Als es darum ging, Kiefer zum Tode zu verurteilen, hat er als einer der Lautesten nach Vergeltung und Ge-rechtigkeit geschrien. Als es um die Vollstreckung ging, wollte er sich davonstehlen. Wir kennen Uwe hier alle schon seit seiner Geburt und jeder weiß, was man von ihm und seinen Worten zu halten hat. Und von seinen Taten.« Hans verzog das Gesicht, als habe er in einen sauren Apfel gebissen. »Nussberger hat ihn vorgeschlagen, in der ihm eigenen, trockenen Art. Und er hat Sigg auch an dessen Verhalten nach dem Mord an Frieder erinnert. Zuerst hat Sigg gewinselt, als hätte man ihn zum Tode verurteilt und nicht Kiefer, dann wurde er ruhig und schließlich hat er das Unausweichliche akzeptiert. Hoffe ich jedenfalls. Sollte er sich aus dem Staub machen, haben wir dann natürlich ein Problem.«
    »Wie hat deine Frau das Urteil aufgenommen?«, wollte Malow wissen.
    »Sie war nicht mit dabei. Ich habe es ihr sagen müssen.« Eva hatte es mit einer Art resignierter Niedergeschlagenheit aufgenommen, erzählte Hans. Sie hatte weder gejubelt noch geweint noch sonst wie emotional reagiert. Sie hatte nur genickt. »Wann und Wie?«, hatte sie gefragt und Hans erzählte ihr von den Beschlüssen.
    »Ich frage mich«, sagte Hans, »wo sie die Kraft hernimmt. Die Sor ge um mich, dazu der Kampf um ihr und Leas Überleben, die Schwangerschaft und dann auch noch Kiefer.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Sie schläft endlich.«
    »Will sie mit dabei sein, wenn Kiefer …«
    »… hingerichtet wird?«
    Malow nickte.
    »Ja. Sie hat darauf bestanden. Ich habe es ihr auszureden versucht, aber sie will unbedingt mitkommen. Vielleicht braucht sie den Anblick, um darauf vertrauen zu können, dass jetzt wirklich alles ein Ende hat. Wenn sie es nicht mit eigenen Augen sieht, wird sie sich vielleicht auf immer und ewig vor Kiefer fürchten, egal wie tot er auch ist.«
    »Da mag was dran sein«, sagte Malow und kratzte sich am Hinterkopf.
    »Auch Läuse?«, fragte Hans, aber Malow schüttelte den Kopf.
    »Nichts da. Nur Dreck.«
    »Soll ich sie dir waschen?«, fragte Silvia, die das Gespräch der Männer verfolgt hatte. »Ich hab noch Kernseife. Und ein Topf Wasser ist schnell heißgemacht.«
    Henning Malow ging zuerst hinunter ins Dorf und wusch sich im Bach. Eine kleine, hinter Weidenbüschen versteckte Staustufe zwischen den

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