Rattentanz
Seminarräume mit jeweils einem Dutzend Computer, an denen die Mitarbeiter der Klinik geschult wurden. Alle Monitore und Computer waren verschwunden, ein letzter zerschlagener Bildschirm lag am Boden. Auch die Schiebetür in die Großküche stand weit offen. Betreten nur in Schutzkleidung gestattet! , mahnte seit Kurzem ein Schild. Sie folgte dem Schein der Lampe, kam an einem kleinen Raum vorbei, in dem sauberes Geschirr lagerte, dann stand sie an einem Förderband. Über das Band rollten dreimal täglich die Tabletts für die Patienten vorbei und wurden von Arbeiterinnen mit dem Gewünschten bestückt.
Auch hier erschien ihr alles ruhig.
Vielleicht hatte der Polizist ja doch übertrieben, überlegte Eva. Vielleicht gab es doch eine Chance, noch in dieser Nacht nach Hause zurückzukehren. Er hatte sicher übertrieben, als er von Mord und Plünderungen erzählte. Und was auf der Station geschehen war, war nur ein dummer Zufall.
Durch die Küchenfenster fiel warmes Abendlicht. Sie wollte gerade die Taschenlampe ausknipsen, als sie ein Geräusch stutzen ließ. Ein Klirren, wie wenn Glas gegen Glas schlägt. Sie blieb stehen und lauschte. Die beiden Herdreihen, mit riesigen Töpfen am Rand und ebenso überdimensionierten Kellen darüber, warteten auf den kommenden Tag. Gulliver im Land der Riesen, dachte sie mit einem Blick auf Töpfe, Pfannen und Kellen. Sie ging um den ersten Herd herum, folgte dem Geräusch. Offenbar kam es aus dem winzigen Aufenthaltsraum am Ende der Küche.
Plötzlich stolperte sie. Sie verlor das Gleichgewicht und die Taschenlampe aus der Hand, und landete in einem kalten Brei aus rosafarbener Creme und dunkelroten, jetzt in der Dämmerung fast schwarzen Schlieren. Ihre Lampe rollte unter den Herd. Dort blieb sie so liegen, dass sie das starre Gesicht des Chefkoches beleuchtete. Eva erkannte den Mann sofort, ihn, der immer etwas früher als seine Mitarbeiter kam und meist auch länger blieb und der, auch im größten Stress um die Mittagszeit, immer Zeit für einen Scherz mit den Schwestern fand und fragte, wie ihnen sein Essen schmecke.
Genau dieser Chefkoch lag tot neben ihr und als Eva sich abstützte um aufzustehen, hielt sie plötzlich ein Ohr in der Hand. Sie warf es zur Seite als sei es glühend heiß und schrie, schrie, wie sie noch nie in ihrem Leben geschrien hatte. Der bis unter die Decke geflieste hohe Raum verstärkte ihre Schreie wie ein riesiges Megafon und warf sie hundertfach zurück. Er wollte ihre Schreie nicht. Unfähig, sich zu bewegen und erschrocken von der Intensität ihrer eigenen Stimme, stand Eva neben dem Koch und starrte auf die Leiche. Überall war sie mit Erdbeercreme und geronnenem Blut beschmiert.
In diesem Moment wurde die Tür des kleinen Aufenthaltsraumes aufgerissen. Eva hob den Blick und sah Mehmet in die Augen. Mehmet erkannte sie sofort und brüllte: »Es ist die Schlampe von der Intensivstation!« Er suchte seine Pistole und, als er sie nicht fand, riss er Fuchs die Maschinenpistole aus der Hand und schoss eine Salve auf die Schwester. Er hatte aus der Hüfte heraus zu hoch gezielt und die meisten Geschosse prallten an den Gerätschaften über dem Herd ab und versetzten die Kellen und Löffel in Schwingung. Sie stießen gegeneinander und stimmten einen misstönigen Trauermarsch an. Ein Projektil zerriss eine der Neonröhren, die förmlich explodierte, und drei weitere Kugeln schlugen in die gegenüberliegende Wand, die daraufhin einige der weißen Kacheln fallen ließ.
Eva duckte sich hinter dem Herd als sie Ritters Stimme hörte.
»Spinnst du, wir brauchen sie lebend, du Idiot!« Er riss Mehmet die MP weg und stieß ihn aus dem kleinen Raum.
»Los, fangt sie!«
Dass er nicht schon früher draufgekommen war, ärgerte er sich. Wo sonst, wenn nicht auf einer Intensivstation, würde es Schmerzmittel geben!
Mehmet durchquerte mit einigen kräftigen Sprüngen die wenigen Meter bis zum Herd. Eva schüttelte ihre Überraschung und das Entsetzen endlich ab, rannte zum Ausgang, während Mehmet über die Arbeitsfläche der Küche setzte. Er kam genau in der von ihm auf dem Boden verursachten Schweinerei an, rutschte aus und landete weich auf dem Koch.
»Idiot!«, zischte Fuchs, der mit wehendem Mantel an ihm vorbeirannte.
Eva eilte durch den dunklen Gang, nahm die Abkürzung an den Aufzügen vorbei ins Treppenhaus. Sie sah nicht mehr zurück. Mit wenigen Schritten rannte sie zwei Etagen empor und an einem Mann im Bademantel vorbei, der rauchend im
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