Rau, aber zaertlich
die knarrende Tür öffnete, war seit langer Zeit niemand mehr in der Hütte gewesen. Erstaunlicherweise befand sich jedoch wenig Staub auf dem Fußboden oder dem Kaminsims. Die Teppiche sahen frisch ausgeklopft aus. Die Hütte, die aus einem großen Raum mit einer Kochnische, einem Wohnbereich mit Couch und Sesseln und einem durch eine Stellwand abgetrennten Schlafzimmer bestand, war schlicht gestaltet. Und dank des nur teilweise von Bäumen geschützten Blechdaches war es heiß und stickig.
"Ich werde mal die Fensterläden und Fenster öffnen. Überprüf du inzwischen die Vorräte."
"Dir gehört diese Hütte?"
"Meine Mutter hat sie mir vor ungefähr zehn Jahren überlassen, nachdem mein Vater eine andere Angelhütte gekauft hat, die an der anderen Küste näher an ihrem Hause liegt. Wir fuhren hierher, als ich noch ein Kind war."
Devon beobachtete, wie Jake die Fensterläden aufstieß, damit frische Luft und Licht hereinkamen. Sie versuchte ihn sich als Kind vorzustellen, voller Begeisterung über ein abenteuerliches Wochenende im Wald. Bisher war ei mit Einzelheiten aus seiner Kindheit sehr zurückhaltend gewesen. Doch hier zeigte er ihr einen offenbar wichtigen Teil seiner Jugend.
"Es ist ziemlich sauber hier", bemerkte Devon, um etwas zu sagen, wodurch er sich nicht wieder wie sonst in die Enge gedrängt fühlte, sobald er über seine Vergangenheit sprach.
"Mutter kommt zwei Mal im Jahr her, um sauber zu machen, für den Fall, dass ich die Hütte benutzen will." Er schaltete die Deckenbeleuchtung ein, die mit einem knarrenden, aber funktionierenden Deckenventilator verbunden war. "Ich persönlich glaube, dass sie es genießt, mal von zu Hause wegzukommen.
Manchmal bleibt sie für ein paar Tage, während mein Vater mit den Exerzitien beschäftigt oder auf irgendeiner Konferenz ist."
Devon entdeckte Regale voller Taschenbücher. Die Themen reichten von Fantasy und Sclence-Fiction bis zu klassischer Literatur und einer beinah kompletten Ausgabe der Arztromane von Betty Neels. Devon lächelte, als sie zwei ihrer Fioranna-DiMarco-Krimis in der Sammlung entdeckte.
"Gehören die alle deiner Mutter?"
Jake machte ein erstauntes Gesicht. "Ja, ich glaube schon. Schließlich ist sie die Einzige, die je hierher kommt. Sie bringt immer ein paar Bücher mit. Das letzte Mal, als ich hier war, waren es noch nicht so viele."
Entweder kam seine Mutter nicht bloß zwei Mal im Jahr her, oder sie war eine sehr schnelle Leserin. "Kommt deine Mutter hierher, um sauber zu machen oder um zu lesen?"
Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Vermutlich um beides zu tun.
Dad ist sehr eigen, was die Lektüre angeht, die er im Haus duldet. Ich wusste, dass Mom nicht immer einer Meinung mit ihm ist, aber davon hatte ich keine Ahnung."
Anscheinend hatte er seiner Mutter diese Art von stillem Protest nicht zugetraut. Devon berührte die faltigen Buchrücken einer kompletten Stephen-King-Taschenbuchsammlung. "Ich wette, deine Mutter kommt nicht nur alle sechs Monate her. Außerdem hat sie einen breit gefächerten Geschmack."
Er antwortete mit einem Brummen, das sie als Zustimmung interpretierte.
Offenbar war er perplex darüber, was er über seine Mutter erfahren hatte.
Gut. Devon hatte erlebt, dass Jake Grenzen zog und Menschen und Situationen sogar noch mehr kategorisierte als sie. Sie hatte inzwischen von ihrer Schwester und deren verschrobener Gefolgschaft gelernt, offen und vorurteilsfrei zu sein.
Durch ihre Erfahrung mit der wilden Welt der Rockmusikbranche und ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin war die Beobachtung von Menschen für sie etwas Selbstverständliches. Sie vermutete, dass es Jake als Polizist ähnlich ging.
Unwillkürlich fragte sie sich, in welche Kategorie er sie bei ihrer ersten Begegnung eingeteilt hatte und in welche er sie jetzt einteilte.
Letzteres war leicht zu beantworten. In seinen Augen war sie eine unerfahrene Liebhaberin und populäre Schriftstellerin, die nicht genug über Erotik und Verführung wusste, um eine gute erotische Liebesgeschichte zu schreiben, die ihres Namens und ihres Talents würdig war. Aber Jake hatte ihr gesagt, er habe sofort Sinnlichkeit und weibliche Kraft an ihr bemerkt, die nur nicht entwickelt waren.
Nun, an diesem Nachmittag würde sie ihm nicht bloß beweisen, dass er Recht hatte, sondern auch, dass die Schülerin ebenso gut die Lehrerin sein konnte.
"Warum machst du nicht die übrigen Fenster auf und probierst, ob diese alte Klimaanlage an der Wand
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