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Raubvogel der Sterne

Raubvogel der Sterne

Titel: Raubvogel der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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automatisch in die Höhe, als er einen unterdrückten Zauberspruch murmelte. Dann löste sich der Bann, und er machte mit ausgestreckten Armen einen Schritt auf das Mädchen zu.
    „Miellyn!“ rief er, und Sehnsucht wie Betrübnis lagen in seiner Stimme. Und wieder erscholl der Name, Echos in der fremden, leeren Straße weckend:
    „Miellyn!“
    Dieses Mal war es das Mädchen, das sich umdrehte und entwich.
    Kyral setzte unsicher einen Fuß vor den anderen, machte einen zweiten Schritt. Aber ehe er anfangen konnte zu laufen, hatte ich seinen Arm gepackt und schüttelte ihn, um ihn zur Vernunft zu bringen.
    „Mann, seid Ihr irrsinnig, ihr in einer nichtmenschlichen Stadt nachzujagen?“
    Er sah mich betäubt an und atmete rauh. Dann dämmerte langsam die Erkenntnis in seinen Augen, und er blickte sich um. Mit einem heiseren Atemzug der Enttäuschung sagte er: „Schon – gut. Ich werde sie nicht verfolgen“, und befreite sich.
    Wir erreichten die Tore Canarsas und schritten hindurch. Sie schlossen sich geräuschlos hinter uns. Ich hatte den Ort bereits vergessen. In mir war nur Raum, um an das Mädchen zu denken, dessen Züge ich seit dem Augenblick nicht vergessen hatte, in dem sie mich rettete – und verschwand. Jetzt war sie Kyral wieder erschienen. Was hatte das zu bedeuten? Ich forschte, während wir uns der lagernden Karawane näherten: „Kanntet Ihr dieses Mädchen?“ und wußte, daß diese Frage nutzlos war. Kyrals Gesicht wirkte verschlossen und seine Freundlichkeit war gänzlich geschwunden. Er gab zur Antwort: „Ich weiß jetzt, wer Ihr seid. Ihr habt mich vor den Katzenmenschen und dann wieder in Canarsa errettet, und meine Hände sind gebunden, Euch zu schaden. Aber es bringt Unglück, sich mit denen abzugeben, die der Krötengott angerührt hat.“ Er spuckte geräuschvoll aus, sah mich mit Abscheu an und schloß: „Wir werden morgen Shainsa erreichen. Bleibt mir vom Leibe.“

7. Kapitel
     
    Shainsa, erstes Glied in der Kette der Dürrstädte, die sich über das Bett längst ausgetrockneter Ozeane erstreckt, liegt weit draußen in den Alkaniwüsten; eine staubige, ausgedörrte Stadt, gebleicht von Jahrtausenden der Sonneneinstrahlung.
    Neuigkeiten verbreiteten sich schnell auf den Marktplätzen der Dürrstädte. Ich wußte, daß, wenn Rakhal sich in der Stadt aufhielt, er binnen kurzem von meiner Ankunft erfahren und erraten würde, wer ich war und weshalb ich gekommen war. Ich konnte mich so verkleiden, daß meine eigene Schwester mich nicht erkennen würde, aber ich gab mich keinen Illusionen über meine Fähigkeiten hin, mich vor Rakhal zu verbergen. Er hatte meine Maske geschaffen.
    Als die Sonne zum zweitenmal rot und brennend hinter den Salzfelsen unterging, wußte ich, daß Rakhal sich nicht in Shainsa befand, aber ich blieb und wartete darauf, daß etwas geschah. Nachts schlief ich in einem Kämmerchen hinter einer Weinstube, ein Privileg, für das ich einen unangemessenen Preis zahlte, und jeden Tag durchmaß ich in der schläfrigen Stille des blutroten Mittags den zentralen Platz Shainsas.
    Das dauerte vier Tage lang. Niemand nahm im geringsten Notiz von mir; ich war eine namenlose Gestalt unter vielen in schäbigem Kittel, ohne Identität oder erkennbaren Beruf, und niemand schien mich zu sehen, mit Ausnahme der schmutzigen Kinder mit hellem, wolligem Haar, die sich auf der windigen Einfassung des Platzes ihren Spielen hingaben.
    Am fünften Tage war meine Erscheinung so normal geworden, daß selbst die Kinder mich nicht mehr bemerkten. Auf dem grauen Moos des Platzes döste eine Anzahl alter Männer auf den Steinbänken, ihre Gesichter so farblos und verblichen wie ihre Kittel und die Skannarben hundert vergessener Kämpfe aufweisend. Über den gepflasterten Bürgersteig am Rande des Platzes kam eine Frau.
    Sie war schlank und besaß einen stolzen, schwingenden Gang. Ihre Hände waren gefesselt, jedes Handgelenk von einem juwelenbesetzten Reifen umgeben und die Armbänder durch die Glieder einer langen versilberten Kette verbunden, die eine silberne Schlaufe in ihrem Gürtel durchlief. Ein winziges Vorlegeschloß hing in der Öse und besagte, daß sie eine freie Frau war, unverheiratet oder von höherer Kastenzugehörigkeit als ihr Gemahl.
    Sie blieb unmittelbar vor mir stehen und erhob ihren Arm zu einem formellen Gruß. Sie musterte mich einige Minuten lang, und endlich hob ich den Kopf und erwiderte ihren Blick. Sie zuckte beim Anblick meiner Narben nicht zusammen und begegnete

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