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Raubvogel der Sterne

Raubvogel der Sterne

Titel: Raubvogel der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Raunen seinen Weg durch Shainsa nehmen, in der unerklärlichen Art, in der sich solche Gerüchte auf Wolf verbreiten.
    Dallisa hatte mir alles mitgeteilt, was sie wußte. Es war nicht viel, aber es würde meine Suche in Charin abkürzen. Ich sagte ihr allein unter dem roten, winddurchbrausten Himmel vor dem Großen Haus Lebewohl, und sie schmiegte ihren Kopf an meine Schultern und flüsterte: „Race, nimm mich mit.“
    „Du willst nicht gehen, Dallisa!“ entgegnete ich.
    Ich bedauerte sie zutiefst. Sie würde mit ihrer sterbenden Welt zugrunde gehen, stolz und kalt und ohne Platz in der neuen. Sie küßte mich. Dann wandte sie sich um und floh zurück in den Schatten des großen, dunklen Hauses.
    Ich sah sie nie wieder.
     
    Wenige Tage später näherte ich mich dem Ende der Fährte.
    In Charin herrschte Zwielicht, schwül und von dem düsteren Glanz der Feuer erfüllt, die heiß und rauchend am Ende der Straße der sechs Schafhirten brannten. Ich hielt mich wartend im Schatten einer Mauer und spähte vorsichtig die Straße entlang.
    Sie wirkte verlassen, und nur wenige verwahrloste Gestalten lagen in den Hauseingängen – die Straße der sechs Schafhirten gehört zu einer schmutzigen Slumgegend –, aber ich vergewisserte mich dennoch, daß mein Skan locker saß. Chariner verstehen ihre Füße lautlos aufzusetzen, und Charin ist selbst für Dürrstädter keine allzu sichere Stadt, ganz zu schweigen von Erdenmenschen.
    Ein schmutziger, staubgeschwängerter Wind trug fremde Gerüche durch die Straße. Der beißende Weihrauchduft eines Straßenschreins lag darin und eine schwere, scharfe Ahnung, die mich erschauern ließ; in den Hügeln hinter Charin erhob sich der Geisterwind.
    Von diesem Sturmwind getragen, würden die Ya-Wesen aus den Bergen herunterfluten und alles Menschliche oder Halbmenschliche vor sich zerstreuen. Sie würden die ganze Nacht durch in dem Viertel hausen und am Morgen verschwinden – bis der Geisterwind wieder blies.
    Zu jeder anderen Zeit hätte ich bereits Schutz gesucht. Ich glaubte bereits, das ferne Kreischen hören zu können und die gefiederten, klauenbewehrten Gestalten zu gewahren, die in kannibalischer Gier durch die Straßen stürmten.
    In diesem Augenblick zerriß die Stille.
    Irgendwo schrie die Stimme eines Mädchens in schrillem Schmerz oder Furcht auf. Dann sah ich sie, zwischen zwei der winzigen Häuser hindurchschlüpfend, ihr langes Haar hinter ihr herflatternd, während sie hin- und herschoß, um dem Burschen hinter ihr auszuweichen. Das Mädchen warf sich auf mich, ihre Arme mit der Wildheit eines Sturmwindes um meinen Nacken schlingend. „O helft mir“, keuchte sie schluchzend, „liefert mich ihm nicht aus – bitte –“, und selbst ihr Gestammel ließ mich erkennen, daß sie nicht den Jargon dieses Elendsviertels, sondern den unverfälschten Dialekt Shainsas sprach.
    Ich handelte genauso automatisch, als hätte ich Juli vor mir gehabt. Ich löste die Finger des Mädchens, schob es hinter mich und starrte den Burschen an, der auf uns zukam.
    „Mach, daß du weiterkommst“, rief ich ihm. „Wo ich herkomme, jagt man keine kleinen Mädchen. Verschwinde!“
    Der Mann bog um mich herum, und ich roch den Gestank seiner Lumpen, als er eine Hand nach dem Mädchen ausstreckte. Ich schob mich zwischen die beiden und legte die Hand auf den Skan.
    „Du, du Dürrstädter“, heulte der Mann. Jetzt saß ich in der Falle. Gelang es mir nicht schleunigst, wieder herauszukommen, dann würde ich alles verlieren, dessentwegen ich nach Charin gekommen war.
    Ich verspürte nicht übel Lust, ihm das Mädchen zu übergeben – er konnte ihr Vater sein, und wahrscheinlich hatte er nichts weiter vor, als ihr eine Tracht Prügel zu verabreichen. Diese Angelegenheit ging mich nichts an. Meine Interessen lagen am Ende der Straße, wo nach den Informationen eines Gewährsmannes Rakhal bei den Feuern wartete. Er würde nicht lange bleiben. Schon kündigte sich dumpf der Geisterwind an, und Staubböen rasten durch die Straße, brachten Türen und Fensterläden zum Klappern.
    Doch ich folgte der Stimme meiner Vernunft nicht. Ich konnte dem Mädchen nicht den Rücken drehen und es seinem Schicksal überlassen. Der massige Bursche griff erneut nach ihr, und ich riß meinen Skan heraus.
    „Marsch!“
    „Dürrstädter!“ Der Mann spie das Wort aus, seine Augen hatten sich zu kleinen Schlitzen verengt. „Sohn des Affen! Erdenmensch!“
    „Terranischer!“ Jemand griff den Schrei auf;

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