Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raubzug mit dem Bumerang

Raubzug mit dem Bumerang

Titel: Raubzug mit dem Bumerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
sein“,
gickelte Klößchen. „Bei uns im Adlernest ist ständig das Fenster geöffnet.“
    Statt auf das Gealbere
einzugehen, sagte Tim: „Immerhin besucht Zaunig das Grab seiner Frau.
Vermutlich pflegt er es auch. Und die Uhr ist ihm wichtig. Als Erinnerung. Ein
Wertstück ist der Zeitanzeiger natürlich auch. Eine Maurice Hitman kostet 20
000.“
    „Sie zeigt aber keine bessere
Zeit an als ‘ne 50-Euro-Uhr“, meinte Klößchen, „sondern genau dieselbe, falls
sie richtig geht. Von einer teuren Uhr könnte man eigentlich mehr erwarten
bezüglich der Zeit.“
    „Sie ist ein Statussymbol“,
sagte Tim. „So wie es Protzautos und Protzbunker gibt, gibt es auch Protzuhren.
Die Typen mit den teuren Uhren haben links immer einen kürzeren Ärmel. Damit
jeder sehen kann, wie kostbar sie sich das Handgelenk schmücken. Auf teure
Uhren wird auch viel öfter nach der Zeit geguckt als auf bescheidene. Natürlich
nur wenn Zuschauer da sind. Bewunderer und Neider.“ Er überlegte. „Vielleicht
ist das unsere Chance. Die weit verbreitete Eitelkeit.“
    „Was meinst du?“, fragte
Klößchen.
    „Wenn wir Glück haben, hat der
Pick-up-Typ eben diese Schwachstelle im Charakter — und die Maurice Hitman
jetzt am Handgelenk. Damit sich seine Kollegen aus der Friedhofsgärtnerei —
nehmen wir mal an, er gehört dorthin — gallegelb neiden.“
    „Du glaubst doch nicht im
Ernst“, sagte Gaby, „dass er eine frisch geraubte Maurice Hitman beim
Beetebuddeln trägt.“
    Tim grinste. „Hast Recht.
Außerdem ist sie graviert. Und damit so eindeutig wie ein Geständnis, wenn man
ihn damit — mit der Uhr, meine ich — erwischt.“
    Sie erreichten den
Westfriedhof. Auf dem Parkplatz standen zwei Dutzend Kfz. Ein grüner Pick-up
war nicht dabei. Über dem weitläufigen Gottesacker-Gelände kreiste ein Schwarm
schwarzer Krähen.
    Klößchen deutete hinauf.
„Geier! Denen sollte man beibringen, dass wir hier nicht in der Wüste sind.“
    „Klößchen“, meinte Karl, „das
sind Krähen. Mit Geiern, Raben und Hyänen haben sie gemeinsam, dass Sie
hinsichtlich der Nahrungsaufnahme ihrem Instinkt folgen. Und der ist auf
Vergängliches ausgerichtet.“
    Tim lachte. „So kann man’s auch
ausdrücken. Und jetzt schlage ich vor, wir sehen uns auf dem Friedhof um.
Irgendein Gärtner wird da sein. Oder jemand, der mit dem Mini-Bagger Gruben
aushebt.“
    „Schaurig!“, flüsterte Gaby.
„Aber der Vergänglichkeit entkommt niemand. Wahrscheinlich ist das die einzige
Gerechtigkeit auf dieser Welt.“
    Tim entdeckte einen
Laternenpfahl, der Kratzer und Schrammen aufwies. Hier hatte schon so mancher
sein Rad angekettet. Diesmal waren es gleich vier. Dann trabten TKKG durchs Tor
und einen Kiesweg entlang zwischen Gräbern mit üppiger Bepflanzung und
kunstvollen Grabsteinen. Auf einem frischen Hügel mit vertrockneten Kränzen
steckte ein Holzkreuz mit dem Foto des Verstorbenen.
    Der Friedhof ist groß. Und alt.
Die Wege sind nummeriert. Birken, Eichen und Kastanien spenden Schatten. Jetzt,
am frühen Nachmittag, war der Betrieb eher flau. Trotzdem — Tim überriss, dass
mindestens drei Dutzend betagte Hinterbliebene mit Gießkanne und Schäufelchen
an den Gräbern ihrer Lieben — wie Geistliche sagen — zu Gange waren. Die Zahl
der Witwen überstieg die der Witwer bei weitem. Ronald Zaunig, dachte Tim,
würde sich hier fühlen wie der Hahn im Korb.
    „Ich sehe keinen Offiziellen“,
meinte Karl.
    „Aber ich höre einen Bagger“,
sagte Tim. „Dort hinten brummt der Diesel.“
    Sie folgten dem Geräusch. In
einer der hinteren Ecken wurde gearbeitet. Als TKKG durch die Lücke in einer
immergrünen Hecke liefen, sahen sie den Mann mit dem Mini-Bagger. Dicht an der
Mauer wurde ein Grab ausgehoben.
    Der Bagger war rot. Hinter dem
Sitz steckten Hacke und Schaufel in einer Halterung — für den Fall, dass dieses
oder jenes doch mit Muskelkraft getan werden musste. Der Mann auf dem Sitz war
jung und stammte sicherlich aus einer Randzone der Europäischen Union. Die
schwarzen Locken klebten ihm schweißnass in der Stirn.
    TKKG traten dicht an den
Arbeitsplatz und sahen zu, wie die Baggerschaufel frische Erde aus dem Boden
holte und zur Seite kippte. Der Arbeiter blickte dreimal her, wie Tim
vermerkte, davon zweimal zu Gaby. Dann wurde der Bagger abgestellt. Das
Geräusch hörte auf, der Gestank des Diesel blieb.
    „Hallo!“, sagte Tim und — weil
ihm nichts Besseres einfiel: „Das wird ja eine tiefe Grube.“
    „Nicht zu tief,

Weitere Kostenlose Bücher