Raubzug mit dem Bumerang
merken.
Danke, Wespe. Und tschüü... Wie?“ Sie lauschte. Tim sah die Veränderung im
Gesicht seiner Freundin. Verblüffung. Schrecken. Tiefe Besorgnis.
„Himmel! Das ist ja
entsetzlich. Im Moment fällt mir nichts ein. Ja, wir kennen ihn gut. Er benimmt
sich immer wie Tims kleiner Bruder. Du, ich besprech’s mit den Jungs. Wenn wir
‘ne Idee haben, rufen wir dich an.“
Sie schaltete das Handy aus.
„Mein kleiner Bruder?“, fragte
Tim. „Ist von Kevin die Rede?“
Gaby nickte. „Er wurde
gekidnappt.“
Karl stöhnte auf. Klößchen
vergaß den Mund zu schließen. Tim, vom Schreck durchzuckt, presste die Zähne
aufeinander.
„Wann? Er war doch heute in der
Schule.“
„Aber mittags hat ihn sein
Bodyguard zum Zahnarzt gefahren, das heißt, zur Zahnärztin Johanna
Drill-Staubner. Wegen ‘ner neuen Zahnspange oder so. Naso hat draußen im Wagen
gewartet, wie immer, aber Kevin hat sich abgeseilt. Ist offenbar durch die
Hoftür raus. Ihr wisst ja, wie er ist. Im Soleil-Park wurde er von einer
Politesse gesehen, die dort Mittagspause gemacht hat. Er lief in Richtung
Mühlbach, wollte wohl nach Hause. Wahrscheinlich hat man ihn hinter den Büschen
erwischt. Und vor etwa 30 Minuten rief einer der Kidnapper bei Elisabeth
Kleinknecht an. War aber nur ein ganz kurzes Gespräch. Offenbar hatte der Typ
Bammel, dass man sein Handy orten könnte. Hat nur gesagt, dass sie den Jungen
hätten, dass sich die Polizei zurückhalten soll und dass er sich wieder melden
werde. Aus!“
Tim stieß gepresste Luft über
die Zähne.
Klößchen sagte: „Das musste ja
mal kommen. Sie haben ihn bewacht wie den Thronfolger von Eschnapur. Und Kevin
hat’s gestunken wie Jauche hoch drei. Bei mir hat er sich neulich beklagt, dass
er kaum noch alleine aufs Klo gehen könne. Sofort stünde draußen der Bodyguard.
Und wem ginge das nicht auf den Keks.“
„Mich hat er gefragt“, sagte
Karl, „ob wir ihn mitnehmen, wenn er einfach mal abhaut, wenn er Naso
austrickst. Nein!, habe ich gesagt. Tim ist zwar einer der größten
Verantwortungsträger zwischen hier und dem nächsten Horizont, aber einen wie
dich, Kevin, binden wir uns nicht ans Bein. Himmel, war er traurig. Er tat mir
Leid.“
Gaby wischte sich über die
Kornblumenaugen. „Als Prominenten-Ableger hat er kein leichtes Leben. Und jetzt
hat’s ihn erwischt. An zweiter Stelle habe ich Mitgefühl mit seiner Mutter.
Elisabeth Kleinknecht ist eine Klassefrau. Mami kennt sie gut. Die Elisa ist
zwar ein bisschen hysterisch, aber ein richtiger Gutmensch. Sie hilft, wo sie
kann. Über Dr. Kleinknecht gehen die Meinungen auseinander.“ Wie wahr!, dachte
Tim. Die einen halten ihn für den nächsten Bundeskanzler oder wenigstens Fädenzieher
im Europa-Parlament, die anderen — und das sind zur Zeit 48,5 Prozent aller
Wähler — sehen in ihm einen Kriminellen, einen rücksichtslosen Karrieremacher,
dessen dunkle Geschäfte noch nicht aufgedeckt wurden. Hm, soll ja vorkommen bei
Politikern.
„Was wollte Wespe wissen,
Gaby?“
„Alles, was uns einfällt in
Bezug auf Kevin. Ob er was geäußert hat, ob ihm oder uns was aufgefallen ist.
Personen. Aber ich kann nur die Schultern heben. Und ihr?“
Auch die Jungs wussten nichts.
Tim dachte nach. Vor einer Woche
hatte er mit Kevin Straßenkampf trainiert. Nasoreit hatte zugesehen mit
wohlwollendem Grinsen. Kevin war fröhlich gewesen wie immer, ganz bei der Sache
und clever. Kein Wort von etwas Ungewöhnlichem, einer Beobachtung, einem
Verdacht.
„Null Nachricht für deinen
Vater, Gaby. Es sei denn, uns fällt noch was ein. Aber wenn wir jetzt zur
Gutsherrenstraße biken, kommen wir am Soleil-Park vorbei. Dort sehen wir uns
um.“
13. Dumme Gangster glauben alles
Als Kevin zu sich kam, lag er
in einem Kastenwagen. Dämmeriges Licht ringsum. Von vorn kam Helligkeit. Dort,
nur abgeteilt durch eine halb hohe Blechbarriere, waren die Sitze für Fahrer
und Beifahrer. Kevin hob den Kopf und sah zwei Typen von hinten. Boaaaah! Diese
Übelkeit! Immer noch spürte er den beißenden Geruch des Chloroforms — oder, was
zum Henker, sie ihm als Narkose verpasst hatten.
Die Ladefläche schaukelte,
teilte Stöße aus. Offenbar rumpelte das Fahrzeug über eine schlechte
Wegstrecke.
Wir sind nicht mehr in der
Stadt, dachte Kevin.
Er hatte die Augen kurz
geöffnet, wieder geschlossen, jetzt äugte er abermals und sah durch die
Windschutzscheibe. Fichten rechts und links der Straße. Dazwischen ein bisschen
blauer Himmel. Also immer
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