Raubzug mit dem Bumerang
Position verlangt gelegentlich, dass Pfote ihren Tim zur Ordnung ruft.
Die Bikes wurden geparkt und
angekettet. 50 Schritt bis zu dem gelben Wohnblock, der sich fünfstöckig ins
braune Licht der Abendsonne erhob. Erster Eingang, Reihen von Namensschildern
mit Klingelknöpfen, kein Fenloh. Zweiter Hingang, aha!, der Friedhofsgärtner
wohnte offenbar im vierten Stock. Die Haustür — Milchglas im Stahlrahmen — ließ
sich öffnen. Es gab einen Fahrstuhl. Die weißen Wände an der Treppe waren
schmutzig. Gaby, Karl und Klößchen nahmen den Lift. Tim sprintete die Treppe
hinauf, blickte in schmuddelige Flure, hörte Lärm in einer Wohnung, Radiomusik
in einer anderen.
Vierter Stock. Fenlohs Wohnung
lag rückseitig. Tim wartete vor der Tür, denn der Lift ließ sich Zeit. Karl
hatte natürlich — wie immer — sein Spezialbesteck im geschulterten City-Rucksack.
Karl konnte fast jedes Schloss knacken, was ihm jedes Mal Tims und Klößchens
Anerkennung eintrug. Gaby stand dann stets etwas abseits und tat, als ahne sie
nicht, was da vor sich ging. Jetzt würde sie sich vermutlich genauso verhalten.
Aber es kam anders.
Eben hatten sich Tims
Nackenhaare aufgerichtet wie der Stachelkragen eines wütenden Igels. Klößchen
öffnete schon den Mund zu irgendeiner nichtigen Mitteilung. Aber Tims Hand
legte sich auf die Schoko-Einwurfluke und erstickte die Worte.
„Pst! Jemand ist in der
Wohnung.“
Karl streckte einen Zeigefinger
aus und berührte die Tür. „Sie ist nicht ins Schloss gezogen“, flüsterte er.
Tim nickte.
„Fenloh kann’s nicht sein“,
hauchte Gaby.
„Vielleicht hat er Familie“,
meinte Klößchen.
An die Möglichkeit haben wir
überhaupt nicht gedacht, stellte Tim fest. Theoretisch könnte es sein. Auch bei
einem Anti-Typ wie dem. Aber eigentlich kann ich’s mir nicht vorstellen.
Außerdem ist das hier allenfalls ‘ne Zwei-Zimmer-Behausung mit bekochbarer
Nasszelle und Wohnklo. Null Platz für Kids. Und welche Frau würde mit
Totenblume soooo beengt zusammenleben! Hm?
Er horchte. Hinter der Tür
waren heftige, aber unklare Geräusche. Es klang ein bisschen nach Amok
laufender Putzfrau oder durchgeknalltem Haustier. Als zerfetze ein
Mini-Bullterrier die Polstermöbel.
„Vielleicht Einbrecher?“, sagte
Tim leise. „Die Kollegen sind vor uns da.“
In diesem Moment wurde die Tür
von innen geöffnet. TKKG standen dicht davor — in geschlossener Reihe.
Die Frau schrie auf, spitz und
schrill. Tims Trommelfelle zuckten. Die Frau ließ fallen, was sie in den Armen
hielt, darunter auch harte Gegenstände. Sie polterten zu Boden. Braune Augen,
weit aufgerissen, starrten TKKG an. Die Frau wich zurück.
„Hallo!“, sagte Tim. „Warum schreien
Sie? Haben wir Sie erschreckt? Wir wollten gerade klingeln.“
Sie war jung, höchstens 30,
etwa 155 cm groß und — stark übergewichtig, was eine freundliche Umschreibung
ist für eine zum Platzen fette, rosige Tonne. Das Gesicht ein hübscher
Pfannkuchen mit Dreifachkinn und Posaunenengelbacken. Das braune Haar war zu
Rasta-Zöpfen verarbeitet.
„Ich...“, stammelte sie,
„ich... ihr habt mich erschreckt. Ich... wollte gerade gehen.“
„Frau Fenloh?“, fragte Tim.
„Äh... nein, ich...“
Mit einem Blick hatte Tim erfasst,
was da am Boden lag. U.a. eine beutelartige Umhängetasche aus Stoff. Tim bückte
sich rasch. Offenbar eine freundliche Geste, um alles aufzuheben, denn die
rosige Tonne hatte garantiert Probleme beim Bücken. Doch erst mal nahm Tim nur
die Tasche. Wie von selbst glitt ein Mehr-Zweck-Portmonee in seine Hand,
klappte auf und präsentierte den Führerschein in einem Klarsichtfach.
„Äh, Sie sind Frau Tanja
Morbilowski, wie ich hier zufällig sehe.“
„Ja.“ Ihr Mund zitterte.
Tim gab ihr die Tasche samt
Portmonee.
„Danke“, hauchte sie.
Dann blickten alle auf die
Gegenstände am Boden: eine teure Herrenlederjacke; ein gerahmtes Gemälde —
Pferde, offenbar Andalusier, rennend auf einer Wiese; etwa 20 Seidenkrawatten;
ein kleines, futuristisches Radio mit CD-Player und Kassetten-Einschub; ein
japanisches Kurzschwert und drei antiquarische Bücher, in Leder gebunden.
„Sie brauchen eine Tasche“,
sagte Tim. „Oder einen Rucksack.“
„Äh... ja.“ Sie war immer noch
entsetzt.
Gaby sagte: „Sie sind Fabians
Freundin, nicht wahr? Ziehen Sie aus?“
Es kam ganz plötzlich, ohne
Vorwarnung. Das Pfannkuchengesicht verzog sich nach allen Seiten, die Züge
entgleisten, Tränen schossen aus den Augen, der
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