Raubzug mit dem Bumerang
nicht mehr geknebelt. Er vermied es, Walm-Haunstetten
anzusehen. Reden durften die drei ohnehin nicht. Und Kevin schwitzte Blut und
Wasser.
Himmel!, dachte er. Wenn diese
Giftgas-Betäubungswolke nun rausrauscht — was dann? Die beiden in der Küche —
Peng aus! Aber das Gas wird sich ausbreiten. Dann sind wir dran. Oder?
Vielleicht merkt der Kahlkopf was und türmt auf die Straße. Wird er sich
hinterher an mir rächen? Schwören werde ich, dass ich von dem Gas nichts
gewusst habe.
In diesem Moment rief Lobi aus
der Küche: „So, jetzt werden wir uns den Inhalt der Kassette ansehen. Wenn die
Milchtüte nicht geschwindelt hat, sind die Unterlagen brandheiß. Feuer unterm
Hintern des Herrn Parteivorsitzenden, häh? Aber für eine Million kann er das
Zeug ja zurückkaufen.“
Kevin schloss entsetzt die
Augen. Aber nur für zwei Sekunden. Dann sah er in Haunstettens kreidebleiches
Gesicht. Dem Parteisekretär trat Schweiß auf die Stirn.
Margit, Mausi genannt, hatten
offensichtlich von nichts ‘ne Ahnung. Großäugig war ihr Blick auf Lumel
gerichtet, schwenkte dann mitfühlend zu Kevin, dem ach-so-lieben Söhnchen der
Kleinknechts und kehrte schließlich stirnrunzelnd zu ihren gefesselten Händen
zurück. Sie trug links eine goldene Uhr, rechts ein goldenes Armband. Aber
wegen der Stricke kamen beide Schmuckstücke nicht gut zur Geltung.
Geräusche in der Küche. Stille.
Kein Aufschrei. Niemand fiel vom Stuhl. Sekunden vergingen. Wieder Geräusche.
Jetzt wurde geblättert. Dann der Dialog. Kevin spitzte die Ohren. Also doch
kein Betäubungsgas. Sein Daddy hatte ihn angeführt.
„Verstehst du das?“, fragte
Lobi.
„Hm.“ Der Boss hatte eine raue
Stimme.
„Fotos. Zig Fotos. Und...
Uihhhh!“
„Hm“.
„Der Typ ist... der wirft mit
dem Bumerang.“
„Mit dem Kailie.“
„Ja, du kennst dich da aus.“
Der Boss grunzte.
„Warum grinst du?“, fragte
Lobi.
„Ich kenne den Typ. Nicht
persönlich. Aber hier steht sein Name. Und Jüdü hat mir von ihm erzählt. Letzte
Nacht am Handy. Inzwischen weiß ich, dass es Jüdü erwischt hat. Liegt im
Krankenhaus. Schwere Sache. Und die Bullen haben ihn am A...! Mit Jüdü ist nicht
mehr zu rechnen.“
„Na ja, er ist dein Freund. Wir
kannten ihn kaum.“
„Jedenfalls weiß ich von Jüdü,
dass dieser Schnöseltyp hier ein toller Werfer ist. Ein Bumerang-Artist. Und
noch mehr, wie du siehst.“
„Das kann man wohl sagen. Die
Fotos beweisen eindeutig: Er ist der Bumerang-Täter. Hier, hier und hier — sind
ja mindestens ein Dutzend Fotos. Offenbar von weitem aufgenommen. Mit
Teleobjektiv. Der Schnöseltyp hat seine Opfer niedergestreckt. Er nimmt sie
aus. Aber wer hat ihn dabei fotografiert?“
„Dass muss man sich vorstellen,
Lobi! Sein Großvater — es gibt nur noch die beiden von der Sippe — ist
steinreich. Millionenschwer. Aber alt und krank. In seinen Enkel ist er
vernarrt. Und der künftige Millionenerbe macht so was! Hier, guck dir das Foto
an! Er schreibt einem seiner Opfer auf den Rücken. Auf den Rücken der Jacke.
Mit Filzstift oder so. Was er schreibt, haben wir ja in der Zeitung gelesen:
Rache!“
„Wofür rächt er sich?“
„Keine Ahnung. Ah, hier ist
noch viel Text. Schreibmaschinenseiten. Sieht aus wie Berichte. Mit Datum. Hier
sind Zeitungsausschnitte.“
Kevin horchte. War ja alles
sehr interessant. Aber was hatte sein Daddy mit diesem Kram zu tun?
Walm-Haunstetten schien an
seinen Sorgen zu ersticken. Er stöhnte auf, hielt den Kopf gesenkt und die Augen
geschlossen. Sein Gesicht war noch fahler geworden.
Margit starrte ihren Mann an,
schien vor allem überrascht zu sein und erst in zweiter Linie verunsichert.
In der Küche wurde lange
geflüstert.
Kevin fühlte Enttäuschung. Er
war gespannt gewesen auf das Betäubungsgas. Außerdem fühlte er sich gekränkt.
Sein Daddy hatte ihm ein Märchen aufgebunden.
Lobi kam herein.
„Was ist nun?“, fragte Otto,
genannt Einohr. Er fläzte stoisch in einem der Ledersessel, paffte eine Zigarre
und hatte die Beine weit ausgestreckt. „Haben wir einen Hauptgewinn oder ist
alles nur Kacke?“
„Sieht nach Hauptgewinn aus.“
Lobi wandte sich an Walm-Haunstetten. „Ich sag’s dir gleich, du Politiker: Wenn
du jetzt lügst, kriegst du die Prügel, die du schon seit Jahren verdienst.
Klar?“
„Ich... lüge nicht.“ Der
Parteisekretär sprach so leise, dass man ihn kaum verstand.
„Red gefälligst lauter!“,
brüllte der Boss aus der Küche.
„Er will die Wahrheit
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