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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Ich habe damals jede Hilfe, die man mir angeboten hat, abgelehnt. Ich krieg das schon hin, habe ich allen gesagt, ich brauche keine Therapie. Man sieht ja, wie ich es hinkriege. Ich laufe heulend aus Meetings und springe von Jachten in die See. Super.«
    Bergmüller ging nicht darauf ein. »Willst du dir nicht was Trockenes anziehen?«, fragte er.
    Sie nickte. »Immerhin biete ich den Urlaubern und Reha-Patienten eine kostenlose Wet-T-Shirt-Show. Das muss man mir zugutehalten.«
    Bergmüller lächelte amüsiert, und in der Tat verfolgten interessierte, belustigte, aber auch strenge Blicke ihren Spaziergang zurück zum Haus. Das Bild eines Mannes an der Seite einer völlig durchnässten Frau, bei der man die Farbe der Unterwäsche sehen konnte, bot sich nur selten.
    In der Ferienwohnung angekommen, duschte Wiebke erst einmal so heiß, wie es der Durchlauferhitzer eben zuließ, während Bergmüller ihr einen Tee zubereitete. Sie kam nackt aus dem Bad, kramte in ihrer Tasche und zog sich einen Pullover und eine Jeans an.
    Sie lächelte, als sie den dampfenden Tee in einem Becher mit der Aufschrift »Damper Kaffeepott« auf dem Esstisch stehen sah. Er kümmerte sich wirklich um sie. Reinhard war gerade damit beschäftigt, den Kamin mit neuen Kohlen zu bestücken und entfachte das Feuer. Wenig später strahlte der Kamin eine wohlige Wärme ab.
    Wiebke schlürfte den Tee. Langsam erholte sie sich wieder.
    »Entschuldigung«, sagte sie noch mal.
    »Ich habe dir doch schon gesagt, dass du dich nicht zu entschuldigen brauchst.«
    »Doch, doch! Ich habe dir das Wochenende versaut. Du hast ein Boot an der See. Logisch, dass du segeln willst. Erst recht bei dem Wetter.«
    »Ach was. Wir brauchten Ablenkung, und die hatten wir. Und die anderen Urlauber und Gäste auch.«
    Wiebke war für den Anflug von Humor noch nicht wieder empfänglich. Sie saß weiter am Tisch und blickte starr in den Tee.
    »Was sollen wir denn stattdessen tun?«, fragte er nach einiger Zeit. »Worauf hast du Lust?«
    »Darf ich ehrlich sein?«
    »Sicher.«
    »Ich möchte gern nach Hause. Ich bin im Moment einfach nicht in der Lage, mich zu entspannen. Und so toll es hier auch ist: Im Moment geht es nicht. Ist das schlimm?«
    »Keineswegs«, sagte Bergmüller. »Ich räume hier nur noch kurz ein bisschen auf, und dann fahren wir zurück.«
    »Danke«, brachte Wiebke leise hervor und hoffte, dass er ihr ehrliches Bedauern bemerkte. Keine halbe Stunde später waren sie auf dem Weg zurück nach Rostock. Sie sprachen während der Fahrt nicht viel.
    * * *
    Er wartete nun schon seit fast einer Stunde im Airport Plaza des Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel auf ihre Ankunft. Er trank Kaffee und hatte Zeit nachzudenken. Je mehr er dachte, desto mehr ärgerte er sich. Vor allem über sich selbst.
    Die Sache mit der Nutte hatte zwar geklappt. Aber ihm waren eklatante Fehler unterlaufen. Dass der Zeitzünder nicht funktioniert hatte, war unverzeihlich. Er musste von nun an viel vorsichtiger vorgehen. Sie hatten jetzt seine Fingerabdrücke und seine DNA , und wenn ein Verdacht auf ihn fiele, wäre er erledigt.
    Im Grunde hatte diese blöde Kuh von Polizistin ihn ja sogar selbst auf die rettende Idee gebracht. Wie hatte sie es so schön formuliert? »Er wird sie sich wohl kaum aus dem Katalog bestellt haben.« Genau das hatte er nun aber getan. Das Internet war auch hier sein perfekter Komplize. Man brauchte nur die Worte »Ukraine« und »Frau« bei Google einzugeben, und man bekam die Damen praktisch frei Haus geliefert.
    Er hatte gelesen, dass ukrainische Frauen alles dafür taten, um aus dem Land wegzukommen. Das schien zu stimmen. Er hatte Katharina jedenfalls nicht lange bitten müssen, sich mit einem Mann zu verabreden, der Hunderte Kilometer entfernt in einem anderen Land lebte und mit dem sie nur mühevoll kommunizieren konnte. Zumal sie sich ihm praktisch auslieferte, wenn sie angekommen war. Sie wohnte in Novi Petrivtsi, einem Kaff etwa zwanzig Kilometer nördlich von Kiew, wie sie ihm in einem grottenschlechten Englisch gemailt hatte. Sein Englisch war zwar auch nicht besonders. Aber es reichte, um sie davon zu überzeugen, dass er die Chance ihres Lebens war.
    Katharina Shkarupa, wie sie mit vollem Namen hieß, war hübsch, Mitte dreißig und hatte einen Wahnsinnsbusen. Die Fotos, die sie ihm netterweise geschickt hatte, waren offenherzig. Er hatte von sich im Gegenzug ein Foto in so miserabler Qualität geschickt, dass der darauf abgebildete Mann praktisch

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