Raum
können, oder?«
»Stimmt.«
»Machst du schnell die Äuglein zu, geben alle Läuse Ruh.«
»Muss ich nicht in Schrank?«
»Heute Nacht nicht.«
Wir wachen auf, und die Luft ist noch kälterer. Uhr zeigt 07:09, der hat eine Batterie, also heimlich ein bisschen Strom in sich drin.
Ma ist dauernd am Gähnen, weil sie in der Nacht wach gewesen ist.
Ich habe Bauchweh, und sie sagt, das kommt vielleicht von dem ganzen rohen Gemüse. Ich will eine Scherztablette aus der Flasche, aber sie gibt mir nur eine halbe. Ich warte und warte, aber mein Bäuchlein fühlt sich trotzdem nicht anders an.
Oberlicht wird heller.
»Ich bin froh, dass er letzte Nacht nicht gekommen ist«, sage ich Ma. »Ich wette, der kommt überhaupt nicht mehr wieder, das wäre supercool.«
»Jack.« Sie runzelt ein bisschen die Stirn. »Jetzt denk mal scharf nach.«
»Tue ich ja.«
»Was würde dann denn wohl passieren? Woher bekämen wir unser Essen?«
Da weiß ich Bescheid. »Vom Jesuskind von den Feldern im Draußen.«
»Nein … ich meine, wer bringt es uns?«
Oha.
Ma steht auf, sie sagt, es ist ein gutes Zeichen, dass die Wasserhähne noch klappen. »Er hätte ja auch noch das Wasser abstellen können. Aber das hat er nicht.«
Ich weiß nicht, was für ein Zeichen das sein soll.
Zum Frühstück gibt es einen Bagel, aber er ist kalt und matschig.
»Was, wenn er den Strom nicht wieder anstellt?«, frage ich.
»Das macht er bestimmt. Vielleicht im Laufe des Tages.«
Ein paarmal probiere ich die Schalter an Fernseher aus. Nur eine blöde graue Kiste, ich kann mein Gesicht sehen, aber nicht so gut wie in Spiegel.
Wir machen allen möglichen Sport, damit uns warm wird. Karate und Inseln und Simon Says und Trampolin. Und Himmel und Hölle, da müssen wir von einer Korkfliese zur nächsten hüpfen und dürfen dabei nicht auf die Linien kommen oder umfallen. Ma will Blindekuh spielen und bindet sich meine Tarnhose um die Augen. Ich verstecke mich unter Bett neben Eierschlange und halte sogar die Luft an, platt wie ein Pfannekuchen. Sie braucht Hunderte von Stunden, bis sie mich gefindet hat. Danach will ich Abseilen machen. Ma hält meine Hände, und ich laufe ihre Beine rauf, bis meine Füße höher sind als mein Kopf. Dann hänge ich verkehrt herum da, meine Zöpfe fallen mir ins Gesicht, und ich muss lachen. Ich mache einen Salto und stehe wieder richtig. Das will ich noch mal und noch mal machen, aber ihr schlimmes Handgelenk tut weh.
Danach sind wir müde.
Wir basteln ein Mobile aus einer langen Spaghetti und Fäden, an die wir Sachen kleben, kleine Bilder von mir nur in Orange und von Ma nur in Grün und gezwirbelte Alufolie und abgerissenes Klopapier. Mit der Nähnadel aus Nähzeug macht Ma den obersten Faden an Dach fest, dann baumelt die Spaghetti da, und die ganzen kleinen Sachen fliegen, und wir stehen drunter und blasen ganz fest.
Ich habe Hunger, und Ma sagt, ich darf den letzten Apfel haben.
Was ist, wenn Old Nick uns keine neuen Äpfel mehr bringt?
»Warum bestraft er uns noch immer?«, frage ich.
Ma verzieht den Mund. »Er betrachtet uns einfach als Dinge, die ihm gehören, weil ihm Raum ja auch gehört.«
»Und wieso?«
»Weil er ihn gebaut hat.«
Das ist komisch. Ich dachte immer, Raum ist einfach da. »Hat nicht Gott alles gemacht?«
Ma sagt einen Moment lang nichts, dann streichelt sie mir über den Nacken. »Jedenfalls alles, was gut ist.«
Wir spielen Arche Noah auf Tisch, alle Sachen wie Kamm und kleiner Teller und die Bücher und Jeep müssen sich hintereinander aufstellen und husch husch in Schachtel steigen, bevor die gigantische Flut kommt. Ma spielt gar nicht mehr richtig mit. Sie hat den Kopf in den Händen, als ob er schwer ist.
Ich knabbere am Apfel. »Tun die andern Zähne weh?«
Sie sieht mich durch ihre Finger an, ihre Augen sind jetzt noch riesiger.
»Welche?«
Ma steht so plötzlich auf, dass ich beinahe Angst kriege. Sie setzt sich in Stuhlschaukel und streckt die Hände aus. »Komm mal her, ich erzähle dir eine Geschichte.«
»Eine neue?«
»Ja.«
»Toll.«
Sie wartet, bis ich mich gemütlich in ihre Arme gekuschelt habe. Ich knabbere den Apfel an der anderen Seite ab, damit er länger hält. »Du weißt doch, dass Alice gar nicht immer im Wunderland gewesen ist, oder?«
Die kenne ich ja schon, Ma hat mich ausgetrickst. »Ja, sie geht in das Haus vom weißen Kaninchen und wird so groß, dass sie die Arme aus dem Fenster stecken muss und den Fuß durch den Kamin, und
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