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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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unsichtbar machen und an Oberlicht kleben, und sie würde genau durch mich durchgucken. Oder ich würde ein Staubkörnchen werden, und ihr die Nase raufkriechen und sie würde mich wieder aus sich rausniesen.
    Ihre Augen sind auf.
    Ich halte den Lolli hinter meinen Rücken.
    Sie macht sie wieder zu.
    Ich lutsche noch stundenlang weiter, trotzdem mir schon ein bisschen schlecht ist. Dann bleibt nur noch ein Stöckchen übrig, und ich werfe es in Müll.
    Als Ma aufsteht, sagt sie nichts wegen dem Lolli, vielleicht war sie ja immer noch am Schlafen, als sie die Augen aufhatte. Sie versucht noch mal, Lampe anzuschalten, aber der bleibt aus. Sie sagt, sie lässt ihn angeschaltet, damit wir es sofort wissen, wenn der Strom wiederkommt ist.
    »Was ist, wenn er mitten in der Nacht wiederkommt und uns aufweckt?«
    »Ich glaube nicht, dass es mitten in der Nacht passiert.«
    Wir spielen mit Flummi und mit Wörterball Bowling und schmeißen Vitaminflaschen um, auf die wir mal alle möglichen Köpfe gebastelt haben, als ich vier war, einen Drachen und ein Alien und die Prinzessin und das Krokodil. Meistens gewinne ich. Ich übe zusammenzählen und abziehen und Reihen und malnehmen und teilen und die größten Zahlen aufschreiben, die es gibt. Ma näht mir zwei neue Puppen aus den kleinen Socken von als ich ein Baby war, sie haben ein aufgenähtes Grinsen und ganz verschiedene Knopfaugen. Ich kann auch nähen, aber es macht nicht viel Spaß. Ich wünschte, ich könnte mich an mein Baby-Ich erinnern. Wie ich damals war.
    Ich schreibe einen Brief an Spongebob mit einem Bild von mir und Ma hinten drauf, wie wir tanzen, damit uns nicht kalt wird. Wir spielen Schnipp Schnapp und Memory und Quartett. Ma will Schach, aber das macht mein Gehirn labberig, deshalb sagt sie, na gut, Dame.
    Meine Finger werden so steif, dass ich sie mir in den Mund tue. Ma sagt, so verbreiten sich Bazillen, sie will, dass ich sie erst noch mal mit dem eiskalten Wasser wasche.
    Wir basteln aus Mehlteig haufenweise Perlen für eine Kette, aber die können wir erst auffädeln, wenn sie ganz trocken und hart sind. Dann basteln wir ein Raumschiff aus Schachteln und Schüsselchen, das Klebeband ist beinahe alle, aber Ma sagt, auch egal, und verbraucht das letzte Fitzelchen.
    Oberlicht wird dunkel.
    Zum Abendessen gibt es ganz schwitzigen Käse und halb gefrorenen Brokkoli. Ma sagt, ich muss essen, sonst wird mir noch kälterer.
    Sie nimmt zwei Scherztabletten und einen tüchtigen Schluck, damit sie runterrutschen.
    »Warum hast du denn immer noch Aua, Schlimmerzahn ist doch weg?«
    »Wahrscheinlich, weil ich jetzt die anderen mehr spüre.«
    Wir ziehen unsere Schlaf-T-Shirts an und noch mehr Sachen oben drüber. Ma fängt ein Lied an: »The Other side of the mountain …«
    »The other side of the mountain …« , singe ich.
    »The other side of the mountain …«
    »Was all that he could see.«
    Ich singe Ninety-nine Bottles of Beer on the Wall , bis ich runter bei siebzig bin.
    Ma hält sich die Ohren zu und fragt, können wir den Rest bitte morgen machen? »Dann haben wir ja vielleicht wieder Strom.«
    »Logisch«, sage ich.
    »Und wenn nicht – dass die Sonne aufgeht, kann selbst er ja nicht verhindern.«
    Old Nick? »Warum soll der die Sonne verhindern?«
    »Kann er gar nicht, das habe ich doch gerade gesagt.« Ma umarmt mich und sagt: »Ach, tut mir leid.«
    »Was tut dir leid?«
    Sie pustet die Luft aus den Backen. »Ich bin schuld, ich habe ihn wütend gemacht.«
    Ich starre ihr Gesicht an, aber ich kann es gar nicht richtig sehen.
    »Er kann es nicht ausstehen, wenn ich zu schreien anfange. Das habe ich schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Jetzt will er uns bestrafen.«
    In meiner Brust wummert es ganz laut. »Wie will er uns bestrafen?«
    »Tut er ja gerade. Er hat den Strom abgeschaltet.«
    »Ach, das ist doch nicht schlimm.«
    Ma lacht. »Wie bitte? Wir frieren, wir essen glibberiges Gemüse …«
    »Ja, aber ich dachte, er würde uns bestrafen.« Ich versuche mir das vorzustellen. »Zum Beispiel, wenn es zwei verschiedene Räumen gibt, und er mich in einen und dich in einen anderen tut.«
    »Jack, du bist einfach wunderbar.«
    »Warum bin ich wunderbar?«
    »Keine Ahnung«, sagt Ma, »so bist du eben einfach schon rausgeflutscht.«
    Wir kuscheln noch enger auf Bett. »Dunkel mag ich nicht«, sage ich ihr.
    »Jetzt ist ja schon Schlafenszeit, da wäre es auch sonst dunkel.«
    »Vielleicht.«
    »Wir erkennen uns doch auch, wenn wir nicht gucken

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