Raum
gibt bloß Erdnusscreme, weil der Käse schon ganz klebrig ist. Ma sitzt neben mir, aber sie isst nichts. »Ich weiß ja, das ist alles ein bisschen viel auf einmal«, sagt sie.
Das Sandwich?
Zum Nachtisch teilen wir uns ein Schüsselchen Mandarinen. Ich kriege die großen Stücke, weil sie lieber die kleinen hat.
»Bei so was würde ich dich nie anlügen«, sagt Ma, als ich den Saft schlürfe. »Ich konnte es dir vorher nicht sagen, weil du zu klein warst, um es zu verstehen. Damals habe ich dich also sozusagen belogen. Aber jetzt bist du fünf und kannst es verstehen.«
Ich schüttele den Kopf.
»Was ich jetzt gerade mache, ist das Gegenteil von lügen. So etwas wie entlügen .«
Wir machen ein langes Mittagsschläfchen.
Ma ist schon wach und sieht mich von ganz nah an. Ich kuschele mich an und trinke was aus der Linken.
»Warum gefällt es dir hier denn nicht?«, frage ich sie.
Sie setzt sich auf und zieht ihr T-Shirt herunter.
»Ich wollte noch mehr.«
»Wolltest du nicht«, sagt sie, »du hast ja schon geplappert.«
Ich setze mich auch auf. »Warum gefällt es dir nicht mit mir in Raum?«
Ma drückt mich ganz fest an sich. »Mit dir gefällt es mir doch immer.«
»Aber du hast gesagt, er ist klein und stinkig.«
»Ach, Jack.« Einen Moment lang sagt sie gar nichts. »Stimmt, ich wäre lieber draußen. Aber mit dir zusammen.«
»Mir gefällt es aber hier mit dir.«
»In Ordnung.«
»Wie hat er ihn gemacht?«
Sie weiß, wen ich meine. Ich glaube nicht, dass sie es mir erzählt, aber dann sagt sie: »Eigentlich war es nur ein Gartenschuppen, die üblichen knapp sechzehn Quadratmeter aus PVC -beschichtetem Blech. Aber dann hat er ein schalldichtes Oberlicht installiert und innen jede Menge Schaumstoff zum Isolieren plus eine Schicht Walzblei, weil Blei jedes Geräusch schluckt. Ach ja, und natürlich eine Sicherheitstür mit Code. Er ist immer noch stolz darauf, wie prima er das damals hingekriegt hat.«
Der Nachmittag will gar nicht vorbeigehen.
In der komischen, eisekalten Helligkeit lesen wir alle unsere Bilderbücher. Oberlicht ist heute anders. Er hat so was Schwarzes, wie ein Auge.
»Guck mal, Ma.«
Sie guckt hoch und grinst. »Das ist ein Blatt.«
»Warum?«
»Das muss der Wind von einem Baum auf die Scheibe geweht haben.
»Ein richtiger Baum im Draußen?«
»Genau. Siehst du, das ist der Beweis. Die ganze Welt ist da draußen.«
»Komm, wir spielen Bohnenstängel . Wir stellen meinen Stuhl hier auf Tisch drauf …«
Sie hilft mir dabei. »Dann Müll auf Stuhl drauf«, erkläre ich ihr. »Und dann klettere ich ganz nach oben.«
»Das ist zu gefährlich.«
»Ist es nicht, wenn du dich auf Tisch stellst und Müll festhältst, damit ich nicht wackele.«
»Hmm«, sagt Ma, das heißt fast schon Nein.
»Können wir es nicht mal versuchen? Bitte, bitte.«
Es klappt perfekt, ich falle überhaupt nicht. Als ich auf Müll stehe, kann ich sogar die Korkränder von Dach berühren, wo sie schräg bis hoch zu Oberlicht gehen. Da ist etwas über seinem Glas, was ich vorher noch nie gesehen habe. »Eine Honigwabe«, rufe ich Ma zu und streichele sie.
»Das ist eine Polykarbonatbeschichtung«, erklärt sie. »Unzerbrechlich. Bevor du geboren wurdest, habe ich oft da oben gestanden und hinausgeschaut.«
»Das Blatt ist ganz schwarz und hat lauter Löcher.«
»Ja, es ist bestimmt ein abgestorbenes vom letzten Winter.«
Drumherum kann ich Blau sehen, das ist der Himmel, und ein bisschen Weiß. Ma sagt, das sind Wolken. Ich gucke durch die Honigwabe, ich gucke und gucke, aber ich sehe nichts als Himmel. Da ist nichts drin, keine Schiffe oder Züge oder Pferde oder Mädchen oder Wolkenkratzer düsen vorbei.
Als ich wieder von Müll und von meinem Stuhl klettere, stoße ich Mas Arm weg.
»Jack!«
Ich springe ganz allein auf Boden. »Wer dreimal lügt, dem glaubt man nicht. Es gibt überhaupt kein Draußen.«
Sie fängt an, mir noch mehr zu erklären, aber ich stecke mir die Finger in die Ohren und rufe: »Bla bla bla bla bla.«
Ich spiele nur mit mir und mit Jeep. Beinahe weine ich, aber ich tue so, als ob nicht.
Ma sucht in Schränkchen. Sie knallt Dosen aneinander, und ich glaube, ich kann sie zählen hören. Sie zählt, was wir noch übrig haben.
Mir ist jetzt total kalt, meine Hände sind ganz taub unter den Socken, die ich drüber habe.
Zum Abendessen frage ich immer wieder, ob wir nicht den Rest von den Cornflakes essen können, bis Ma am Ende sagt, na gut. Ich verschütte ein
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