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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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dann tritt sie die Eidechse Bill raus, boing , die Stelle ist lustig.«
    »Nein, ich meine davor. Weißt du noch, wie sie im Gras lag?«
    »Und dann ist sie viertausend Meilen tief durch das Loch gefallen, aber wehgetan hat sie sich nicht.«
    »Also, ich bin auch so ähnlich wie Alice«, sagt Ma.
    Ich lache. »Quatsch. Die ist doch ein kleines Mädchen mit einem riesigen Kopf, sogar noch größer als dem von Dora.«
    Ma beißt sich auf die Lippe, da ist eine dunkle Stelle. »Stimmt, aber ich komme auch von woanders, genau wie sie. Vor langer Zeit war ich …«
    »Oben im Himmel.«
    Sie legt mir den Finger auf den Mund, damit ich still bin. »Von da bin ich runtergekommen und war ein Kind so wie du. Ich habe bei meiner Mutter und bei meinem Vater gewohnt.«
    Ich schüttele den Kopf. »Die Mutter bist doch du!«
    »Aber ich hatte auch mal eine, zu der habe ich Mom gesagt«, erzählt Ma. »Ich habe sie sogar immer noch.«
    Warum veräppelt sie mich die ganze Zeit, ist das ein Spiel, was ich nicht kenne?
    »Sie ist … na ja, du würdest wohl Grandma zu ihr sagen.«
    So wie Doras abuela . Und die heilige Anna auf dem Bild, bei der im Schoß die Jungfrau Maria sitzt. Ich esse das Mittelding vom Apfel, er ist beinahe ganz alle. Den Rest lege ich auf Tisch. »Und bist du auch in ihrem Bäuchlein gewachsen?«
    »Ähm … nein, das nicht. Ich wurde adoptiert. Von ihr und meinem Dad … du würdest Grandpa zu ihm sagen. Und außerdem hatte ich … habe ich … einen Bruder, der heißt Paul.«
    Ich schüttele den Kopf. »Der ist doch Heiliger.«
    »Nein, ein anderer Paul.«
    »Wie kann es denn zwei Pauls geben?«
    »Du würdest Onkel Paul zu ihm sagen.«
    Das sind mir zu viele Namen, mein Kopf ist schon voll. Aber mein Bäuchlein ist immer noch leer, so als wenn der Apfel gar nicht drin wäre. »Was gibt es zum Mittagessen?«
    Ma lächelt nicht. »Ich erzähle dir gerade was über deine Familie.«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Dass du ihnen noch nie begegnet bist, heißt noch lange nicht, dass sie nicht existieren. Es gibt mehr Dinge auf der Erde, als du dir vorstellen kannst.«
    »Ist noch irgendein Käse übrig, der nicht schwitzig ist?«
    »Jack, das hier ist wichtig. Ich habe in einem Haus gewohnt, mit meiner Mom und meinem Dad und mit Paul.«
    Ich muss mitspielen, damit sie nicht böse wird. »Ein Haus im Fernseher?«
    »Nein, draußen.«
    So ein Quatsch. Ma war noch nie im Draußen.
    »Aber es sah genauso aus wie die Häuser, die im Fernsehen kommen. Ein Haus am Rande einer Stadt mit einem Garten dahinter und mit einer Hängematte.«
    »Was ist eine Hängematte?«
    Ma holt den Bleistift von Regal und malt ein Bild von zwei Bäumen, dazwischen sind lauter Seile, die kreuz und quer zusammengeknotet sind, und auf denen liegt eine Person.
    »Ist das ein Pirat?«
    »Das bin ich, wie ich in der Hängematte liege.« Ma faltet das Papier zusammen, sie ist ganz aufgeregt. »Und ich bin auch mit Paul zum Spielplatz gegangen und habe auf den Schaukeln geschaukelt und Eis gegessen. Deine Grandma und dein Grandpa haben mit uns im Auto Ausflüge gemacht, zum Zoo und zum Strand. Ich war ihre kleine Tochter.«
    »Quatsch.«
    Ma zerknüllt das Bild. Auf Tisch ist was Nasses, das Weiße wird davon ganz glänzend.
    »Musst doch nicht weinen«, sage ich.
    »Doch, muss ich.« Sie reibt sich die Tränen übers Gesicht.
    »Warum musst du?«
    »Ich wünschte, ich könnte es dir besser erklären. Ich vermisse es so.«
    »Du vermisst die Hängematte?«
    »Alles. Draußen zu sein.«
    Ich halte ihre Hand fest. Sie will, dass ich dran glaube, deshalb versuche ich es, aber dabei tut mir der Kopf weh. »Hast du wirklich früher mal im Fernseher gewohnt?«
    »Es ist kein Fernsehen, das habe ich dir doch schon gesagt. Es ist die echte Welt, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie groß die ist.« Ihre Arme schnellen vor, sie zeigt auf die Wände. »Raum ist nur ein ganz kleiner, stinkiger Teil davon.«
    »Raum ist nicht stinkig.« Ich knurre beinahe schon. »Stinkig ist er nur manchmal, wenn du furzt.«
    Ma wischt sich wieder die Augen.
    »Deine Fürze sind viel stinkiger als meine. Du versuchst nur, mich zu veräppeln, und damit hörst du mal lieber sofort auf.«
    »Okay«, sagt sie, ihre Luft zischt raus wie bei Ballon. »Komm, wir essen ein Sandwich.«
    »Warum?«
    »Du hast doch gesagt, du hast Hunger.«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Ihr Gesicht ist wieder böse. »Ich mache jetzt ein Sandwich«, sagt sie. »Und du wirst es essen. Verstanden?«
    Es

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