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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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klar, aber sie will die Zeitung lesen. Ich weiß nicht, warum sie lieber die Zeitung liest, anstatt mit mir zu schlafen.
     
     
     
    Als ich aufwache, ist das Licht am falschen Platz.
    »Ist ja gut«, sagt Ma und berührt mein Gesicht mit ihrem. »Alles ist gut.«
    Ich ziehe meine coole Sonnenbrille auf und will in unserem Fenster das gelbe Gesicht von Gott angucken. Das Licht kriecht direkt über den fusseligen grauen Teppich.
    Noreen kommt mit lauter Tüten herein.
    »Sie könnten ruhig anklopfen.« Ma schreit beinahe, dann setzt sie sich die Maske auf.
    »Entschuldigung«, sagt Noreen. »Das hab ich ehrlich gesagt getan, aber nächstes Mal klopfe ich auf jeden Fall lauter.«
    »Nein, tut mir leid, ich habe wohl … ich hatte gerade mit Jack gesprochen. Vielleicht habe ich es sogar gehört, aber gar nicht begriffen, dass es an der Tür ist.«
    »Kein Problem«, sagt Noreen.
    »Es kommen Geräusche aus … den anderen Räumen. Ich höre Dinge und weiß nicht, ob sie echt sind, woher sie kommen und überhaupt.«
    »Es muss Ihnen ja alles noch sehr fremd vorkommen.«
    Ma lacht irgendwie.
    »Und nun zu dem jungen Herrn hier.« Ihre Augen werden ganz glänzend. »Möchtest du mal deine neuen Anziehsachen sehen?«
    Es sind nicht unsere Anziehsachen, es sind andere Sachen in Tüten, und wenn sie uns nicht passen oder gefallen, bringt Noreen sie sofort zurück ins Geschäft und holt uns neue. Ich probiere alles an. Am besten gefällt mir der Schlafanzug, der ist ganz kuschelig und mit Astronauten drauf. Wie ein Kostüm von einem Fernseh-Jungen. Es gibt auch Schuhe, die mit was Ratschigem angehen, es klebt und heißt Klettverschluss. Es macht mir Spaß, sie zu- und wieder aufzumachen, ratsch ratsch . Aber damit gehen ist schwierig, sie fühlen sich so schwer an, als würden sie mich stolpern. Lieber habe ich sie auf dem Bett an, da wedele ich mit den Füßen in der Luft, und die Schuhe zanken sich, und dann vertragen sie sich wieder.
    Ma hat eine Jeans an, die ist zu eng. »So tragen sie die jungen Dinger nun mal heutzutage«, sagt Noreen. »Und Sie haben ja nun auch weiß Gott die Figur dafür.«
    »Wer sind die jungen Dinger?«
    »Jugendliche.«
    Ma grinst, ich weiß nicht, warum. Sie zieht ein Hemd an, das ist auch zu eng.
    »Das sind nicht deine richtigen Sachen«, flüstere ich ihr zu.
    »Jetzt schon.«
    Die Tür klopft, es ist noch eine Schwester, dieselbe Uniform, aber ein anderes Gesicht. Sie sagt, wir sollen lieber unsere Masken wieder auftun, weil wir Besuch haben. Ich habe noch nie Besuch gehabt, ich weiß gar nicht, wie das geht.
    Eine Person kommt rein und läuft auf Ma zu, ich springe mit meinen zwei Fäusten hoch, aber Ma lacht und weint gleichzeitig, das ist also traurigfroh.
    »O Mom«, sagt Ma. »O Mom.«
    »Meine kleine …«
    »Ich bin wieder da.«
    »Ja, bist du wirklich«, sagt die Sie-Person. »Als der Anruf kam, war ich mir sicher, dass das nur wieder so ein übler Scherz war …«
    »Hast du mich vermisst?« Ma fängt an zu lachen, aber ganz komisch.
    Die Frau weint auch, es sind lauter schwarze Tröpfchen unter ihren Augen, ich frage mich, warum die Tränen bei ihr schwarz rauskommen. Ihr Mund hat eine Farbe wie Blut, so wie bei den Frauen im Fernseher. Sie hat gelbe kurze Haare, aber nicht ganz kurz, und in ihren Ohren stecken unter dem Loch ganz große goldene Knöpfe. Sie umarmt Ma immer noch ganz feste, sie ist dreimal so rund wie Ma, ich habe noch nie gesehen, wie Ma jemand anderen umarmt.
    »Kann ich dich nicht mal einen Moment ohne dieses blöde Ding da anschauen.«
    Ma zieht ihre Maske runter, sie lächelt und lächelt.
    Jetzt starrt die Frau mich an. »Ich kann es nicht glauben, ich kann es einfach nicht glauben.«
    »Jack«, sagt Ma, »das ist deine Grandma.«
    Dann habe ich also wirklich eine.
    »Was für ein Goldschatz.« Die Frau macht die Arme auf, als wollte sie damit winken, tut sie aber nicht. Sie läuft auf mich zu. Ich gehe hinter den Stuhl.
    »Eigentlich ist er superanhänglich«, sagt Ma, »nur ist er eben an niemanden außer mich gewöhnt.«
    »Aber natürlich, natürlich.« Die Grandma kommt ein bisschen näher. »Ach, Jack, du bist wirklich der mutigste Junge auf der ganzen Welt, du hast mir mein Baby zurückgebracht.«
    Was für ein Baby?
    »Heb doch mal einen Moment die Maske hoch«, sagt Ma mir.
    Ich mache es und lasse sie sofort wieder zuschnappen.
    »Er hat dein Kinn«, sagt die Grandma.
    »Findest du?«
    »Du warst ja immer schon verrückt nach Kindern, du hast

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