Raumkundschafter Katman
schlug die Augen nieder, um ihr Aufmerken nicht zu offenbaren. Der Professor hatte also Informationen unterschlagen. Zumindest für sich behalten. Er konnte das, immerhin war er der verantwortliche Leiter. Aber es war unüblich und ihr gegenüber unkollegial.
»Ich wollte es genauer wissen«, erklärte Goa Sung. »Aber den Gefallen hat er mir nicht mehr getan.« Er deutete mit dem Kopf auf Melan. Plötzlich streifte er den Folienumhang ab, betätigte den Informationsgeber, rief den ersten Ingenieur und den Computerchef, baute, ohne Sibyll zu beachten, mit ihnen die gesamte Schaltung um und setzte an verschiedene Stellen verstärkende Elemente.
»Letzter Versuch für heute«, verkündete der Professor. Er jagte die Impulse ins System. Die Speicherbänder ruckten auch an.
∗ lat. Von Toten sagt man nur Gutes.
Auf dem Monitor erschien Text: »…bedrohliche Signale wurden unterschätzt…«
Durch Zwischenimpulse versuchte Goa Sung, Genaueres zu erfahren.
»…zu spätes Reagieren des Kommandeurs…«
»Worauf?« fragte Goa Sung.
Aber die Antwort konnte der Computer nicht entschlüsseln. Irgendetwas lief nicht synchron. Der Dialog wurde einseitig. Dabei glaubte Sibyll zu spüren, wie Melan sich Mühe gab. Zum Schluß gab es noch eine sinnvolle Information, die wiederum verdeutlichte, daß der Anfang einer für das Raumschiff gefährlichen Entwicklung nicht erkannt worden war.
Pierre Dutch selber hatte sich herbemüht.
Bernard, der nach Goa Sungs Abberufung ins Labor wieder zur Besatzung des RE sieben gehörte, verließ Katmans Kabine unter einem gemurmelten Vorwand.
»Unser Freund von der Sibir hat sich geäußert.« Dutch reichte Katman den Text. »Doch er wiederholt nur, was wir schon wissen. Oder vermuten.«
Nach kurzer Pause sprach er weiter. »Die Poolman ist auf der Relaisposition angekommen. Damit ist die Verbindung zur Erde gesichert, und wir sind nicht mehr so allein im All.« Der letzte Satz sollte scherzhaft klingen – aber irgendwie schwang ein leises Unbehagen mit.
Katman blickte auf das Papier, ohne den Text zu lesen. Was wollte der Chef wohl von ihm? Erst die joviale Anrede »Commander«, dann die Übergabe des vertraulichen Textes, betont inoffiziell – beabsichtigte Dutch von gleich zu gleich mit ihm zu sprechen? Wollte er ihn zu etwas überreden? Katman verhielt sich abwartend, fast mißtrauisch.
Dutch setzte sich. Jetzt blieb Katman nichts anderes übrig, er mußte etwas anbieten.
Fast erleichtert nahm Dutch sofort an. Sie tranken sich zu.
»Sie erstaunt mein Besuch? Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Meine Stellvertreterin ist nicht immer fair zu Ihnen gewesen.«
Katman hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken – warum hast du es ihr durchgehen lassen –, wurde aber sofort wieder ernst. Wenn der Kommandant sich korrigierte, um so besser.
Dutch schien eine Antwort zu erwarten. Wovon sprach er gerade: Etwas von alten Rechnungen?
»Stimmt«, sagte Katman. »Wir waren einmal befreundet, aber das liegt zehn Jahre zurück. Obwohl sie es von Anbeginn wußte, hat sie mir die Trennung mehr als übel genommen. Vielleicht bis heute.«
»Was wußte sie von Anfang an?«
»Daß ich meine Partnerschaften immer nur für das eine irdische Urlaubsjahr eingehe – ich meine einging.«
Dutch verbarg sein Erstaunen. Er goß sich Kognak nach und trank in winzigen Schlucken, wechselte dann das Thema.
»Was, meinen Sie, könnte der Sibir zugestoßen sein?«
»Meine Ansicht über das Yogasystem ist bekannt. Wenn auch nicht akzeptiert.«
»Betrachten Sie Ihren Fund als Bestätigung Ihrer Ansichten?«
»Selbstverständlich. Ob aber meine Vermutung eine objektive Grundlage besitzt, kann uns nur der Monteur von der Sibir verraten.« Katmans Blick verfinsterte sich. »Ich hoffe nur, er beeilt sich.«
Weshalb spricht er von Monteur? Er weiß doch, daß Melan der Sicherheitsoffizier der Sibir war. Aber er weiß nicht, daß ich es weiß. »Sie können offen mit mir reden. Ich bin eingeweiht.«
Katman runzelte die Stirn. Worin ist der Kommandant eingeweiht? Was möchte er von mir hören? Er will doch etwas von mir.
Katmans Abwarten empfand Dutch als Ziererei. Ärgerlich erklärte er: »Sibyll Kelton offenbarte mir ihren Rang als Sicherheitsoffizier und auch ihren Auftrag innerhalb der Expedition. Deshalb arbeitet sie auch an der Befragung unseres Freundes mit.« Erwartungsvoll schaute er den Kundschafter an.
Unter einer eisern beherrschten Miene verbarg Katman seine Erschütterung. Er war ja auf eine Überraschung
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