Raumschiff 2 - Nancia
hinter dem Hochplateau und das dieses einschließende
grasbewachsene Becken sahen überhaupt nicht so aus wie bei ihrer Landung vor fünf Jahren. Hatte sie sich möglicherweise verrechnet, war sie in einem bis dahin unbekannten Gebiet des Planeten gelandet?
Nancia rief ihre Speicherdateien von jener ersten Landung ab und legte die gespeicherten Bilder über das grüne Paradies vor ihr. Ja, das mußte tatsächlich das Landefeld von Angalia sein.
Die topographischen Merkmale deckten sich vollständig mit ihrer Systemkarte. Und dort, am Rande des Hochplateaus, stand noch immer die Fertighütte aus Plastifilm mit ihrer durchhängenden Markise aus geflochtenem Gras und sah eher noch heruntergekommener und wackliger aus als vor fünf Jahren.
Mit ihrem Bildvergleich entzog Nancia dem
Navigationsprozessor Rechenkraft. Sie vergaß, die Landung zu überwachen, und entging nur knapp einem Absturz auf dem Landefeld von Angalia. Sie korrigierte den Abstieg, vollführte noch einen Satz in die Höhe und kam das zweite Mal etwas langsamer herunter. Ihre Audiosensoren nahmen ein breites Spektrum an Lärm, Stöhnen und Beschwerden aus den
Kabinen auf, wo Micaya und die drei Gefangenen
untergebracht waren.
»Ich entschuldige mich für die harte Landung«, fing sie an, doch Forister schaltete ihre Lautsprecher für einen Moment ab und drängte sich vor. »Örtliche Turbulenzen«, sagte er.
»Nancia hat sich hervorragend davon erholt, aber selbst ein GehirnSchiff kann nicht alle unberechenbaren
Umweltbedingungen auf Angalia kompensieren.«
Mit einer streichelnden Geste ließ er die offene Hand über das Handflächenbrett streichen, um Nancia wieder die
Kontrolle über die Lautsprecher zu überlassen, während er sie gütig anlächelte.
»Ich brauche dich nicht, um mein Gesicht zu retten«, teilte Nancia ihm mit einem bebenden Wispern durch die
Lautsprecher der Hauptkabine mit.
»Ach nein? Ich dachte, wir wären ein Team. Wenn du mir beim 3-D-Schach helfen kannst, habe ich ja wohl das Recht, es dir zu ersparen, dich vor diesen verwöhnten Gören zu
entschuldigen.«
»Ich… na ja, danke«, gab Nancia nach.
»Keine Ursache. Und davon einmal abgesehen – was ist denn gerade tatsächlich passiert?«
»Ich war abgelenkt. Es sieht hier überhaupt nicht mehr aus wie bei meiner letzten Landung.« Nancia schaltete alle Monitore auf Externwiedergabe. Forister musterte
anerkennend das 3-Schirm-Display eines grasbewachsenen Paradieses, das von glühenden Terrassen eingerahmt wurde.
»Was, zum Teufel, ist das denn?« rief Fassa aus ihrer Kabine.
Darnell und Alpha zeigten sich ebenso überrascht.
Nancia befriedigte diese Reaktion. Die Schirme der
Passagierkabinen waren zwar dramaturgisch nicht so wirksam wie die Display wände ihrer Zentralkabine, doch wenigstens zeigten sie genug von Angalia, um Nancia selbst zu bestätigen, daß sie nicht verrückt wurde – oder daß sie damit wenigstens nicht allein dastand. Keiner der Gefangenen hatte damit gerechnet, daß Angalia wie der Garten Eden aussehen würde.
»Kann ich daraus schließen«, fragte sie sanft, »daß der Planet sich seit Ihrem letzten Besuch verändert hat?«
»Das hat er allerdings«, antwortete Fassa. »Sind Sie sicher, daß es derselbe Ort ist? Erst letztes Jahr – ach so, ich verstehe!«
Es folgte ein langes Schweigen. Zum ersten Mal in ihrem Leben sehnte sich Nancia nach den Gliedmaßen einer
Normalperson. Es wäre schön, Fassa an den Schultern zu packen und sie aus ihrer Trance zu schütteln. Warum konnten Normalpersonen nur nicht die Übertragung von Datenströmen fortsetzen, während sie mit ihrer Verarbeitung befaßt waren?
Sie mußte sich damit zufriedengeben, Fassas Kabinenlichter blinken zu lassen und sie mit heftigen Musikstößen aus Flix’
neuestem Sonohedron zu attackieren.
»Verstehe ich das richtig«, hakte sie nach, als sie sicher war, die Aufmerksamkeit des Mädchens erregt zu haben, »daß Sie einige der wesentlichen Merkmale wiedererkennen?«
»Ja… ich denke es jedenfalls.« Natürlich, Fassa hatte
bestimmt keine Kontrolle über die visuellen Einzelheiten, ganz zu schweigen von der Genauigkeit welcher Bilder auch immer sie bei ihrem letzten Besuch gespeichert haben mochte. Sie mußte davon abhängig sein, was ihr ihr biologisches
Gedächtnis vorsetzen konnte. Als sie dies begriff, rechnete Nancia nicht mehr damit, noch irgend etwas Bemerkenswertes zu erfahren.
»Diese Gärten am Berghang…« sagte Fassa. »Die Terrassen hatte
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