Raumschiff 2 - Nancia
Sev
Bryley-Sorensen Fassa so verzweifelt küßte wie ein Mann, der im Vakuum nach Luft schnappte.
Auf Shemali hatte Micaya Questar-Benn Polyon schließlich dazu überredet, die keimfreie VIP-Tour seiner Fabrik
abzubrechen. Sie teilte ihm mit, daß sie nicht glaubte, daß er Hyperchips in hinreichenden Mengen würde herstellen
können, wie sie ihren Erfordernissen entsprachen, und
außerdem glaubte sie auch nicht, daß er die Fabrikproduktion schnell genug würde steigern können. Die
Sicherheitsbestimmungen, wie sie von der Handelskammer überwacht wurden, brauchten viel zu lange, um umgesetzt und aufrechterhalten zu werden.
Polyon schlug vor, daß die Handelskammer doch kollektiv etwas tun möge, was seinen Gesprächsteilnehmern individuell anatomisch unmöglich gewesen wäre. Und wenn die Generalin sehen wollte, wie schnell er tatsächlich Hyperchips
produzieren konnte, fügte er hinzu, sollte sie ihm mit ihrem Freund einfach folgen. Allerdings würden sie dazu
Schutzanzüge anlegen müssen, ergänzte er und kämpfte sich dabei bereits selbst in einen Anzug aus Silberstoff.
Während Micaya und Forister die für Gäste bereitgestellten Anzüge anlegten, bemerkte Micaya unschuldig, daß allein schon die Kosten für die Ausrüstung der ganzen in der
Produktion tätigen Häftlinge mit Schutzanzügen exorbitant sein dürften und daß sie nicht verstand, wie man die für die Herstellung erforderliche Fingerfertigkeit in den klobigen Silbertuchhandschuhen gewährleisten wollte.
Polyon lachte leise und pflichtete ihr bei, daß die
Schwierigkeiten gewaltig seien.
An Bord waren Sev und Fassa wieder ins Gespräch vertieft; Nancia überwachte es diskret, doch gab es nicht viel, was ihrer Aufmerksamkeit bedurft hätte; angesichts ihrer Aussicht auf eine jahrelange Gefängnisstrafe war Fassa sehr
niedergeschlagen. Sev war selbst nicht allzu fröhlich; er versicherte Fassa, daß er auf sie warten würde. »Ich glaube nicht, daß man Mörderinnen entläßt«, widersprach Fassa. »Es sei denn, sie beschließen, meinen Geist auszulöschen.«
»Fassa, du bist keine Mörderin. Caleb ist nicht tot.«
Fassas schlanker Leib versteifte sich. »Ist er nicht?«
»Du hast schon recht«, meinte Sev. »Dir sagt wirklich
niemand was. Nein, er ist nicht tot. Er ist nicht einmal ernstlich krank. Als ich Bahati verließ, wurde er gerade wegen
Nervenschäden behandelt.«
»Die neuesten Bulletins aus der Sommerlandklinik besagen, daß er schon bald wieder völlig hergestellt sein dürfte und wahrscheinlich innerhalb der nächsten Wochen wieder seinen aktiven Dienst als Pilot antreten wird«, bestätigte Nancia.
Sev und Fassa lösten sich plötzlich voneinander und blickten zum Kabinenlautsprecher hoch.
»Nancia!« rief Sev. »Ich wußte gar nicht, daß du mithörst.«
»Du hast mir selbst die Anweisung dazu erteilt«, erinnerte Nancia ihn.
»Ach ja.« Sev dachte nach. »Kann ich die Anweisung wieder streichen? Wirst du mir gehorchen, wenn ich es tue?«
»Das sollte ich eigentlich nicht.«
»Dann verriegel doch die Tür für uns beide«, schlug Sev vor.
»Mir macht das nichts aus. Aber könnten wir jetzt bitte vielleicht etwas ungestört sein? Diese Reise zurück zur Zentrale ist wahrscheinlich für lange, lange Zeit meine letzte Gelegenheit, mit meinem Mädchen allein zu sein.«
Fassa sah gerade zu grotesk glücklich aus für jemanden, der kurz vor einem Prozeß und einer harten Gefängnisstrafe stand.
Nancia ließ die beiden gewähren.
Auf Shemali gab es auch nicht viel, was ihre
Aufmerksamkeit fesselte. Micaya und Forister hatten gar nicht erst die volle Besichtigungstour der Hyperchip-Produktionsfließbänder absolviert; einige wenige Blicke auf die Gefangenen, die ungeschützt mit hautzerstörenden Säuren arbeiten mußten, genügten, um Sevs ausführlichen
Augenzeugenbericht zu stützen. Die Datenaufzeichnungen waren besonders belastend, wenn sie von Polyon angenehmer, kultivierter Stimme begleitet wurden, als er erklärte, wie er die Kosten gesenkt und die Produktion gesteigert hatte, indem er die ihm anvertrauten Häftlinge zu einem langsamen,
schmerzhaften Tod durch industrielle Vergiftung verdammte.
Als Nancia diese Bilder betrachtet hatte, hatte Micaya bereits die Fesseldrähte um Polyons Handgelenke, Fußknöchel und sogar um seinen Hals gelegt. Bei aktiviertem Fußknöchelfeld las sie ihm seine offizielle Verhaftung vor.
»Das können Sie nicht tun!« protestierte Polyon. »Wissen Sie überhaupt, wer
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