Raumschiff 2 - Nancia
Zwecken.
Doch dieses Warten erwies sich als schwieriger als jene Jahre, in denen er wenigstens etwas zur Förderung dieser Ziele hatte tun können. Und es schien im länger. Es war etwas Beunruhigendes an der Dekomposition dieses Schiffs. Die Singularität sollte eigentlich nicht so schlimm wirken. Polyon atmete einen übelkeitserregenden Strudel aus Farben und Gerüchen und Texturen, würgte daran, schaute an sich selbst die wabernde Verzerrung seiner eigenen Gliedmaßen und
schloß kurz die Augen. Das war ein Fehler: Die
Singularitätskrankheit bestürmte seine Eingeweide. Was war nur los? Während seiner Akademieausbildung hatte er schon viele Dekompositionen durchgemacht, ganz zu schweigen
davon, daß er auf dem Weg zum Subraum Wega durch diesen Singularitätspunkt gekommen war. War ihm seine
Konditionierung in den fünf Jahren auf Shemali schon so weit abhanden gekommen, daß er jetzt würgte und krampfte wie ein junger Rekrut?
Nein. Irgend etwas anderes stimmte hier nicht. Diese
Dekomposition dauerte zu lang. Und einige der optischen Verzerrungen sahen merkwürdig vertraut aus. Polyon fixierte den Blick auf einen kleinen Kabinenausschnitt, wo die
Regalstützen eine schlichte, geschlossene Kurve aus
Permalegierung und Plastikfilm bildeten. Als er sie
beobachtete, verlängerte sich das Dreieck aus Stütze, Wand und % Regal zu einer Nadelform mit dünnem Öhr, streckte sich zu einem geöffneten Auge, so groß wie die Wand, schrumpfte zu einem rotierenden Lichtpunkt, in dessen Mitte absolute Schwärze herrschte, und entfaltete sich wieder zum
ursprünglichen Dreieck. Nadel, Nadelöhr, Nadelspitze,
Dreieck; Nadel, Nadelöhr, Nadelspitze, Dreieck. Sie waren in einer Subraumschlaufe gefangen, lösten sich immer wieder auf und setzten sich erneut zu einer Sequenz zusammen, die zwar die topologischen Eigenschaften bewahrte, aber keinen
Fortschritt in Richtung der Austrittssequenz vollzog, die in den Subraum der Zentralwelten führte.
Eine derartige Schlaufe hätte nicht vorkommen können,
dürfte nicht vorkommen, es sei denn, die Schiffsprozessoren hatten sich abgeschaltet. Oder – plötzlich durchglühte ihn eine wilde Hoffnung – die Schiffsprozessoren waren zu sehr mit einem anderen Problem befaßt, um ihre Navigationsfunktion auszuführen und sie aus der Singularität zu bringen.
Beispielsweise mit einem Problem wie der Assimilierung eines Wurmprogramms, das die gesamte Kontrolle an einen einzigen Benutzer übergeben und das Gehirn effektiv von seinem eigenen Körper und seiner Rechnereinheit abschneiden würde.
Polyon schluckte seine lautlosen Flüche herunter und stürzte durch die Kabine. Er hatte einige Schwierigkeiten, das Eingabebrett zu finden und die Handfläche ruhig darüber zu halten, doch schließlich gelang es ihm, seinen unentwegt schrumpfenden und sich krümmenden Arm mit der erratischen Schlaufe der sich zu einem Ballon aufblähenden
Eingabeeinheit in Einklang zu bringen. Er schlug zweimal gegen die Oberfläche. »Spracheingabemodus!«
Seine eigene Stimme dröhnte ihm seltsam in den Ohren, die Klangwellen durch die stetige Verdrehung des Raums um ihn herum verzerrt, doch offensichtlich gab es etwas
Unveränderliches in den Stimmustern, die sein
Wurmprogramm immer noch wiedererkannte.
»Spracheingabemodus bestätigt«, dröhnte und zwitscherte eine wogende Stimme aus den Lautsprechern.
»Öffne diese Kabinenluke.« Beim ersten Mal kamen die
Worte als unverständliches Quietschen heraus; beim zweiten glichen sie schon eher seiner normalen Sprechstimme, und der Computer bestätigte den Befehl. Doch es geschah nichts. Einen Augenblick später antwortete das wimmernde Lautsignal des Programms mit einem schrillen Quieken, das sich langsam in ein stöhnendes Dröhnen verwandelte.
»Zieleinheit nicht identifizierbar.«
Langsam begann Polyon den Rhythmus der Subraumschlaufe aufzunehmen. Wenn er die Augen auf einen festen Punkt
fixierte, beispielsweise auf das Dreieck von Regal und Wand und Stütze, konnte er erkennen, wann sie durch jene
Dekompositionen traten, die dem Normalraum am nächsten war. Wenn er dann sprach, wurde seine Stimme zwar immer noch durch Subraumtransformationsreste verzerrt, doch konnte der Computer wenigstens seine Befehle erkennen und sie ausführen.
Er wartete mit dem Sprechen, bis der richtige Augenblick gekommen war.
»Identifiziere diese Kabine.«
Dioden blitzten auf der Kontrollkonsole der Kabine auf, stiegen empor und flatterten umher wie
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