Raumschiff 2 - Nancia
Leicht. Und jetzt schließe die… deaktiviere deine visuellen Sensoren.«
Normalerweise verabscheute Nancia die Finsternis, die jede vorübergehende Unterbrechung der visuellen Sensorkontakte begleitete. Doch diesmal geschah es freiwillig. Und Sevs Stimme fuhr fort, leise und beruhigend… und es war
tatsächlich entspannend, nicht ihr umgestaltetes Inneres betrachten zu müssen.
Caleb mußte gerade durch die untere Außenluke steigen; wenn sie einen Außensensor öffnete, würde sie ihm nachsehen können, wie er über den Landeplatz zum Zentralbau des
Raumflughafens spazierte… nein. Sie würde jetzt nicht die Konzentration der Übung unterbrechen; Sevs geduldige
Instruktionen erreichten ihr Ziel. Sie fühlte sich schon deutlich weniger nervös, als sie seinen Suggestionen Folge leistete, die Energie in ihren unteren Maschinen zu spüren und sie durch die Triebwerkseinheiten strömen zu lassen, ohne sie tatsächlich freizusetzen. Ein warmes, leuchtendes Gefühl durchströmte ihre Flossen und die Außenhülle. Calebs Streit mit Sev, die vor ihr liegende Konfrontation vor Bahati, sogar der erregende Verdacht, daß Daddy sie persönlich für diesen Auftrag
vorgeschlagen haben könnte… alle diese Zweifel,
Befürchtungen und Hoffnungen schienen plötzlich sehr klein und weit entfernt zu sein. Nancia betrachtete sich selbst, ein winziger Staubfleck im Universum; ebenso der Planet, auf dem sie gerade ruhte, die Sonne, die den Himmel um sie herum erhellte. Alles kleine, schwebende Punkte in einem
unendlichen Muster; Punkte erloschen oder entstanden, das Muster aber wirbelte ewig weiter und weiter…
»Nun stell wieder volle Sensorverbindungen her.« Sevs
ruhiger Befehl war wie ein sanfter Weckruf. Nancia öffnete ihre Sensoren, einen nach dem anderen, spürte erneut das Wunder der Existenz. Der schmutzige Raumhafenboden unter ihrem Landegestell, der Geruch von Maschinenöl in der Luft draußen, der Anblick und die Geräusche eines gewöhnlichen, aktiven Raumhafens, alle hatten sie begonnen zu leuchten und zu vibrieren.
»Ich denke, jetzt bist du in Ordnung«, sagte Sev befriedigt.
»Das denke ich auch«, bestätigte Nancia.
Aus Gewohnheit startete Nancia so sanft, als hätte sie ein volles Komitee von Diplomaten der Zentralwelten an Bord.
Nur weil sie in den abstoßenden Farben der OG-Schiffstransport bemalt war, brauchte sie nicht auch wie eine geistlose Drohne einen Brutalstart zu vollführen. Außerdem würde eine schnelle Bewegung jetzt die Trance der
Friedseligkeit vernichten, in der sie noch immer schwebte.
Und, dachte sie schuldbewußt, es würde auch Sev zusetzen.
Wenn Caleb an Bord gewesen wäre, hätte sie als erstes an seine Bequemlichkeit gedacht; Sev hatte das ebenfalls
verdient.
Ihr Umbau zu einer Drohne war auf der Basis Razmak im
Subraum Bellatrix erfolgt. Razmak verfügte über den sehr nützlichen Vorteil, nur eine Raumflugstunde von einer
Singularitätszone entfernt zu sein, die sich direkt in den Subraum Wega in der Nähe von Nyota ya Jaha öffnete; auf diese Weise brauchte Nancia keinen weiten Flug zu riskieren, in dessen Verlauf irgendein echter Angestellter der OG-Schiffstransport sie hätte bemerken und ihre Gegenwart weitermelden können. Wie ein silberner Regenbogen schoß sie durch den Himmel und stieß in einem eleganten Sprung in die Singularität ein.
Aus der Sicht einer Normalperson bestand der Nachteil dieser speziellen Transition darin, daß sie subjektiv länger dauerte als normal. Sev hatte gemeint, daß dies durch die Vorzüge der Basisstation Razmak aufgewogen werde; Nancia konnte nur hoffen, daß er das auch noch so sehen würde, nachdem sie in den Subraum Wega eingetreten waren.
Was Nancia selbst betraf, so hatte sie sich auf den Sprung gefreut. Sie schnitt die wogenden Wellen des
zusammenbrechenden Subraums, tauchte unter und stieß
wieder auf und trudelte durch die Räume, bis der
Dekompositionstrichter sie wirbelnd in seinen schrumpfenden Raum einzog. Systeme linearer Gleichungen folgten ihrem geordneten Tanz; um Nancia herum schrumpfte der Raum und dehnte sich aus, sangen die Farben, entfaltete sich die unausweichliche Gleichmäßigkeit der mathematischen
Transformationen mit der Schönheit einer Bachfuge. Mit einem Jubelschrei trat sie in den Subraum Wega hinaus, ließ die goldenen Klänge einer Purcell-Trompete durch die
verborgenen Korridore und leeren Ladebuchten hallen.
»HÖR AUF DAMIT!«
Der empörte Schrei, der widerhallte, wo
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