Raumschiff 2 - Nancia
keine
Menschenstimme hätte ertönen sollen, wirkte wie ein
Hochfrequenzstoß durch Nancias Synapsenverbindungen.
Sie öffnete sämtliche Sensorverbindungen auf einmal. Die Welt war ein facettierter Diamant von Bildern: bemalte Schotten, Pseudostahlkorridore, Sev, der noch immer zum Singularitätsübertritt an seine Koje geschnallt war; die Zentralkabine, aus drei Winkeln zugleich gesehen: und alles eingerahmt von der Schwärze, die vom Feuer ferner Sonnen gesprenkelt war, wie sie die Außensensoren wiedergaben.
Und dann Caleb, der aus einem der Winkel hervorkam, wo provisorische Wände Nancias Sensorsicht ihres eigenen
Innenlebens blockierten, prachtvoll in seiner vollen Uniform des Kurierdiensts und immer noch von der ausgedehnten Phase in der Singularität grün im Gesicht. Nancia schloß alle anderen Sensoren und vergrößerte Calebs Bild. Ihr Pilot neigte sonst nicht zu Prunk im Dienst; sie hatte ganz vergessen, wie prachtvoll ein Mann in der unbequemen schwarzsilbernen Uniform des Kurierdiensts aussehen konnte.
»Hast du eine Abneigung gegen klassische Musik
entwickelt?« Es war das einzige, was ihr zu sagen einfiel – das einzige, das jetzt zu sagen gefahrlos war.
»Bei den hohen Noten warst du einen halben Ton zu tief«, informierte Caleb sie und setzte dabei die gleiche distanzierte Stimme ein, die Nancia verwendet hatte. »Und viel zu laut.«
»Ich schätze, ich muß mich bei dir für den unbeabsichtigten Anschlag auf deine empfindlichen Sensoren entschuldigen«, meinte Nancia. »Ich hatte die Kabinenlautsprecher abgestellt und wußte nicht einmal, daß es noch eine weitere
Normalschale an Bord gibt.«
»Eine was?«
Hatte Caleb tatsächlich viereinhalb Jahre als ihr Pilot mit ihr zusammen verbracht, ohne auch nur einmal den
umgangssprachlichen Begriff mitzubekommen, den
Hüllenpersonen für mobile Menschen verwendeten? Nancia ging schnell eine Auswahl ihrer Kommunikationen durch. Es war tatsächlich möglich. Noch nie war ihr so klar geworden, wie stark sie ihre Mitteilungen um Calebs willen zensiert, wie sorgsam sie es vermieden hatte, gegen seinen Sprach-und Handlungsstandard zu verstoßen.
Vielleicht war sie ja zu vorsichtig gewesen, wenn er jetzt tatsächlich glauben sollte, mit einer solchen Darbietung durchzukommen.
»Du wirst dir schon denken können, was der Begriff
bedeutet«, sagte Nancia. Und dann, als ihr gefühlsmäßig klar wurde, was Calebs Tat bedeutete, zerbrach ihre schwer
erkaufte Kontrolle. »Caleb, du Idiot, du hättest umkommen können! Was wäre passiert, wenn ich mit voller Kraft gestartet wäre? In deinem Versteck dort drüben hätte es dich doch umhergeschleudert wie drei Würfel in einem Becher!«
»Du vollführst nie harte Starts oder Landungen«, versetzte Caleb. »Dafür bist du viel zu sehr darauf erpicht, mit deiner Fähigkeit anzugeben, selbst noch auf einem Pfennigstück butterweich zu landen.«
Nancia war für einen Augenblick abgelenkt. »Was ist denn ein Pfennigstück?«
»Das weiß ich auch nicht so richtig«, gestand Caleb. »Es ist ein Ausdruck von der Alten Erde. Ich glaube, damit muß irgendeine Art kleines Insekt gemeint sein. Willst du es im Wörterbuch nachschauen? Wir könnten ja auch die Dateien über alte Sprachen im Netz abrufen. Irgend etwas, um die Zeit zu vertreiben.«
»Hör auf, das Thema zu wechseln! Warum hast du mir nicht gesagt, daß du an Bord sein würdest?«
»Hättest du mich gelassen?«
»Na ja… nein«, gestand Nancia. »Ich hätte es Bryley
mitteilen müssen. Deine Gegenwart könnte die Mission in Gefahr bringen, Caleb, begreifst du das denn nicht? Ich bin doch angeblich ein unbemanntes Drohnenschiff, hast du das vergessen?«
»Ich weiß«, antwortete Caleb. »Keine Sorge. Ich werde die verdammte Mission nicht gefährden. Aber ich konnte dich auch nicht allein auf diese Räuberbande loslassen, Nancia. Ist das so schwer einzusehen?«
Sie war überhaupt nicht allein; sie hatte Sev, der alles über Detektivarbeit und verdeckte Ermittlungen wußte. Andererseits konnte sie Caleb ja wohl schlecht vorwerfen, daß er sie beschützen wollte, oder?
»Bleib wenigstens außer Sichtweite«, entschied Nancia
schließlich. »Bitte, Caleb?« Oh! Sev benutzt gerade seine Kabine. Das wird ihm nicht gefallen. »Arrangier dich mit Sev.
Wenn einer von euch sich verstecken kann, werden zwei es vielleicht auch können. Aber – er ist der Leiter dieser Mission.
Darin habe ich eingewilligt, und das mußt du auch tun.«
Sie gelangte
Weitere Kostenlose Bücher