Raumschiff 3 - Tia
arretiert, während ich einen Fuß mitten in der Luft hatte.
Was für ein bezaubernder Anblick, mitten im Gang wie ein Tänzer auf einem altgriechischen Fries zu erstarren! Ich denke, wenn ich wirklich irgend etwas erledigen muß, verlasse ich mich lieber auf meinen guten, alten Stuhl.«
Tia mußte lachen, als sie sich vorstellte, wie Kenny mitten in der Bewegung erstarrt war und sich nicht mehr rühren konnte.
Er schüttelte den Kopf und lachte. »Na ja, zwischen der Erprobung dieses Stücks… Hardware und meinen Patienten
mußte ich eben Anna als unsere offizielle Vertretung
losschicken. Ich hoffe, du hast Lars und mir verziehen…«
Eine warmherzige und belustigte Stimme unterbrach Doktor Kenny. »Ich hatte auch ein kleines Problem, Urlaub bewilligt zu bekommen«, sagte Lars über die Bürolautsprecher, während Kenny grinste. »Und sie haben es mir einfach nicht gestattet, die Station aus dem Orbit zu führen und sie hinunter zur Schule zu lenken, um an der Abschlußfeier teilzunehmen.
Wirklich äußerst unzuvorkommend von ihnen, muß ich
sagen.«
Da mußte Tia wieder lachen.
»Das bedeutet im Klartext, daß du schon selbst kommen
mußt, um mich zu besuchen. Jetzt, da du zum Club gehörst, müssen wir uns einfach gegenseitig alle möglichen Witze über Normalpersonen erzählen. Wie viele Normalies braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln?«
Kenny machte ein abfälliges Geräusch. Obwohl er müde
aussah, bemerkte Tia, daß er allerbester Laune zu sein schien.
Für diese Kombination gab es nur eine Erklärung: Er hatte schon wieder ein Wunder vollbracht. »Diese Bemerkung
mißfällt mir«, meinte er. »Jedenfalls hat Lars jetzt deine Relaisnummer, also wirst du von uns hören – wahrscheinlich öfter, als dir lieb ist! Wir lieben dich, junge Dame!«
Der Bildschirm flackerte auf und erlosch. Tia seufzte
zufrieden.
Nun, dieser Funkspruch machte diesen Tag wirklich zu einem besonderen Ereignis. Anna und ihre Eltern bei der
Abschlußfeier; Professor Brogen, der ihr die
Sonderauszeichnungen in den Fächern Xenologie, Diplomatie und Erstkontaktforschung aushändigte, Moira, die am selben Tag auf dem Landeplatz erschien, an dem man sie ihn ihrem Schiff installiert hatte, immer noch – Wunder über Wunder! –
mit Tomas zusammen…
Moira dabei zu haben, während Tia sich der unangenehmen Prozedur unterzog, bei örtlicher Betäubung von den
Technikern in ihrer Säule installiert zu werden, war schieres Platin wert gewesen.
Tia erschauerte bei der Erinnerung daran. Gewiß, sie konnten einem zwar die Gefühle (oder ihr Fehlen) beschreiben, sie konnten einen psychologisch auf diese vorbereiten, bis man glaubte bereit zu sein, aber der Augenblick der Wahrheit, da man alles einbüßte bis auf eine primitive
Kommunikationsverbindung und die wenigen Sensoren in der Schale selbst… war einfach entsetzlich. Es war etwas aus dem Reich der allerschlimmsten Alpträume.
Und Tia erinnerte sich auch immer noch daran, wie das
Leben mit den beschränkten Sinnesorganen einer
Normalperson gewesen war. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es für jene gewesen sein mochte, die schon bei ihrer Geburt in eine Schale gesteckt worden waren. Der Gedanke daran hatte alle Erinnerungen an die Furcht und das Gefühl der Hilflosigkeit während ihrer Krankenhauszeit wachgerufen.
Mit Moira zusammen war es leichter gewesen. Doch wenn
der Transfer auch eine Reise durch die Hölle der sensorischen Deprivation gewesen war, war es die reinste Prozedur
gewesen, im Schiff zu erwachen.
Kein Simulationstraining konnte vermitteln, wie es sich wirklich anfühlte, von einem lebenden, atmenden Schiff umhüllt zu werden.
Es war ein Augenblick gewesen, in dem Tia alles
zurückerhielt, was ihr verlorengegangen war. Es spielte keine Rolle, daß ihre Haut aus Permalegierung, ihre ›Beine‹
Maschinen, ihre ›Arme‹ die Servomechanismen waren, mit
denen sie sich innerlich wie äußerlich wartete. Daß ihre
›Lungen‹ und ihr ›Herz‹ lebensstützende Systeme waren, die ihren Piloten am Leben halten würden. Daß alle ihre
Sinnesorgane aus Schiffsensoren bestanden, die mit Relais an ihren Hirnstamm angekoppelt waren. Nichts davon spielte eine Rolle. Tia hatte wieder einen Körper! Das war ein Augenblick der Ekstase, den niemand, der von Geburt an in eine Schale gestöpselt worden war, jemals nachempfinden könnte. Moira allerdings tat es… und es war wunderbar gewesen, diesen Augenblick der Verzückung mit jemandem
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