Raumschiff 3 - Tia
vielleicht weniger Glück: er würde höchstwahrscheinlich gar keine andere Wahl haben, als den Rest seines traurigen Lebens in einem Moto-Stuhl und einem Zimmer zu verbringen…
»XH Eins-Null-Drei-Drei, die nächsten Piloten stehen
bereit«, meldete CenCom. »Von denen wirst du doch wohl
einen nehmen, nicht?« fragte der Operator müde.
»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte Tia ruhig. »Ich habe noch nicht mit ihnen gesprochen.« Sie hatte die ersten sechs Gruppen gänzlich verworfen. Offensichtlich glaubte man bei CenCom, daß sie die Primadonna spielte. Sie dagegen glaubte, nur angemessen umsichtig zu sein. Denn seit sie offiziell der Abteilung Archäologie und Erkundung zugewiesen und dem
Institut per Sonderauftrag unterstellt worden war, hatte sie genau das bekommen, womit sie gerechnet hatte – ein Schiff ohne Singularitätsantrieb. Diese Schiffe gehörten zur Spitzenklasse, waren sehr teuer, und das Institut hätte sie sich nicht leisten können. Also würde Tia genau wie Moira, sehr viel Zeit im Transitflug verbringen. Anders als Moira jedoch hatte sie nicht vor, ihre Piloten so oft rauszuwerfen und zu wechseln, daß ihre Abzahlungssumme sich durch die sich
daraus ergebenden Bußgelder verdoppelt hatte.
Viel Zeit im Transit zu verbringen, bedeutete aber auch, über lange Strecken nur den Piloten als Gesellschaft zu haben.
Zunächst einmal wollte sie jemanden haben, der aufgeweckt war. Mindestens so aufgeweckt wie Tomas und Charlie. Sie wollte jemanden, der dazu bereit war, die normalen Aufträge durch ihren kleinen Kreuzzug zu ergänzen und diesem
ebensoviel Gewicht einzuräumen wie ihrem offiziellen
Auftrag. Außerdem hätte sie gern einen Mann, obwohl sie keinen der Piloten abgelehnt hatte, weil er weiblich war.
Vor allem aber wollte sie jemanden haben, der sie mochte, jemanden, der ihr in jeder Bedeutung des Worts ein echter Partner wäre. Jemanden, der bereit wäre, Zeit mit ihr
zuzubringen, in der er auch andere Dinge hätte tun können; einen Freund wie Kenny und Anna, Moira und Lars.
Und jemanden, der eine Persönlichkeit hatte. Zwei aus dem letzten Haufen – beides Frauen – hatten ungefähr so viel Persönlichkeit besessen wie ein Tofuwürfel.
So etwas mochte vielleicht für ein anderes Schiff geeignet sein, für ein anderes Gehirn, das sich außerhalb der Dienstzeit nicht mit Normalpersonen abgeben wollte; sie aber wollte jemanden, mit dem sie sich unterhalten konnte! Schließlich war sie selbst einmal eine Normalperson gewesen.
»Wer ist als erster an der Reihe?« fragte sie CenCom und ließ den Fahrstuhl herab.
»Das ist Donning Chang y Narhan«, erwiderte CenCom nach kurzer Pause. »Wirklich gute Noten auf der Akademie.«
Während Donning über den Asphalt auf die Landepiste
zukam, ging Tia den Datenstoß durch. Er hatte tatsächlich gute Noten erzielt. Sehr attraktiv, wenn man dem Holo Glauben schenken durfte: welliges blondes Haar, hellblaue Augen, ein gemeißeltes Gesicht, wie es ein Holostar hätte haben können –
und ein ebenso gemeißelter Körper. Doch inzwischen war Tia vorsichtig geworden, was gutes Aussehen betraf. Zwei der Kandidaten aus der ersten Gruppe hatten hervorragend
ausgesehen; die eine hatte aber nichts anderes im Kopf gehabt als das, was die Akademie ihr eingetrichtert hatte. Der andere hatte nur über sich reden wollen.
Die Bewegung draußen vor dem Schiff kündete von
Donnings Ankunft; zu Tias Verärgerung bediente er den
Fahrstuhl manuell, anstatt die Steuerung ihr zu überlassen.
Außerdem behandelte er sie wie eine Art besserer KI;
offensichtlich war er ohnehin ärgerlich, ein
Vorstellungsgespräch absolvieren zu sollen, und wäre lieber woanders gewesen.
»Donning Chang y Narhan meldet sich zur Stelle«, sagte er in gelangweiltem Ton. »Wie befohlen.« Er machte sich daran, alles herunterzurasseln, was in seiner kurzen Personalakte gestanden hatte, als hätte Tia sich nicht selbst darüber informieren können. Er setzte sich nicht. Er beachtete Ted nicht.
»Hast du irgendwelche Fragen?« fragte er in einem Tonfall, der andeutete, daß sie, sollte sie tatsächlich Fragen haben, wohl nicht richtig zugehört hatte.
»Nur einige wenige«, erwiderte sie. »Wer ist dein
Lieblingskomponist? Spielst du Schach?«
Er beantwortete ihre Fragen so knapp, als seien sie so völlig irrelevant, daß er nicht verstehen konnte, weshalb sie sie ihm stellte. Danach legte Tia ihm nahe, wieder zu gehen – was er auch tat, erhobenen Hauptes, aber mit
Weitere Kostenlose Bücher