Raumschiff 3 - Tia
Alex auf dem Kantinendach kauerte und darauf wartete, daß der Hunger seines Opfers die Furchtsamkeit überwand. Die Frau zögerte unmittelbar vor dem Container – sie witterte die Nahrung und wollte sie auch haben, fürchtete sich aber davor, sich hineinzubegeben. Sie schwankte von Seite zu Seite, genau wie einer der ersten drei Überlebenden, die sie zu Gesicht bekommen hatten.
»Weshalb?« fragte Alexander. Die Frau hörte auf zu
schwanken und kroch vorsichtig in den Container hinein. Alex wollte abwarten, bis sie gänzlich hineingelangt war, bevor er den Pfeil auf sie abfeuerte.
»Weil sie volle Bio-Monitor-Kontaktknöpfe haben«,
erwiderte Tia. »Meistens befestigt man sie im Ohr oder an einer kahlrasierten Stelle.«
Nach einer kurzen Beratung mit der Basis Kleinman und
Doktor Kenny hatten sie grünes Licht für eine Betäubung der Überlebenden erhalten – und daraufhin hatte man gleich das ganze Arrangement verändert. Die Container sollten nicht nur mit Nahrungsmitteln und Wasser ausgestattet werden, der Boden war auch mit Papierwolle ausgelegt – und an jedem Opfer sollte ein Kontaktknopf mit Verbandpflaster zwischen den Schulterblättern angebracht werden. Bei entsprechend sorgfältiger Umprogrammierung bekamen sie damit Zugang
auf ein gewisses Minimum an medizinischen Informationen: Herzschlag, Atmung, Hauttemperatur Tia hatte die Knöpfe bereits umprogrammiert. Jetzt lag es an ihrem Piloten.
»Ich hätte wirklich nie gedacht, daß meine Schießkunst sich jemals als nützlich erweisen könnte«, meinte Alex zerstreut.
Die Frau mußte nur noch ungefähr einen Fuß weiterkriechen…
»Und ich hätte nie gedacht, daß ich meinen Frachtraum
einmal mit eingedösten Archäologen versehen würde.« Die Frachtcontainer würden zwar hineinpassen – aber immer nur zwei hintereinander. Alex hatte bereits die Servoroboter der Stationswerkstatt eingestellt, um in alle Container Luftlöcher zu bohren, und außerdem sollte jeder von ihnen mit einem unzerbrechlichen Bio-Leuchtstab ausgerüstet werden. Die Stäbe würden ungefähr eine Woche halten. Hoffentlich
genügte die Lichtmenge, um ihre Gefangenen an einer Panik zu hindern.
»So ist es gut, Mädchen«, rief Alex der zögernden
Zombiefrau zu. »Braves Mädchen. Riechst du das leckere
Essen? Das ist wirklich toll. Du hast doch Hunger, nicht?« Die Frau stürmte die letzten paar Schritte vor und stürzte sich auf den Teller mit Rationswürfeln. Im selben Augenblick schoß Alex seinen Pfeil ab.
Das Beruhigungsmittel wirkte binnen Sekunden; die Frau
schien nicht einmal zu merken, daß sie getroffen worden war.
Sie kippte einfach zur Seite und schlief ein.
Alex ließ den Nadler auf dem Dach zurück, wo er einen
Posten samt Stativ errichtet hatte, um das Gewehr zu
stabilisieren. Er lief die Treppe zum Erdgeschoß hinunter und beeilte sich hinauszukommen, wo man ihn sehen konnte, bevor jemand anders das Essen roch und sich darüber hermachte. Als er auf den staubigen Hof kam, bemerkte Tia eine Bewegung am Blickfeldrand der Kamera: Dort draußen lauerte also
tatsächlich noch ein Zombie.
Unter viel Protest hatte Tia damit begonnen, die
Überlebenden schließlich auch als ›Zombies‹ zu bezeichnen –
auf diese Weise brauchte man in ihnen nicht nur Menschen zu sehen.
»Das ist schon in Ordnung, Tia«, hatte Doktor Kenny sie bei seiner nächsten Funkübertragung beruhigt. »Auch ich muß mich manchmal darum bemühen, meine Patienten nicht als
Menschen zu sehen, sondern als ›Fälle‹. Das gehört eben zu diesem Geschäft, und wir werden beide tun, was wir können, um so viele von diesen Menschen lebend zurückzuholen wie möglich.«
Tia hätte ihn gern gefragt, ob er sie selbst eigentlich auch als
›Fall‹ betrachtet hatte.
Nein, diese armen Leute als ›Zombies‹ zu bezeichnen, würde ihnen nicht weh tun, und es würde ihr dabei helfen, sich auf das zu konzentrieren, was sie für sie tun konnte, anstatt auf die Leute selbst.
Alex hatte schon den ganzen Morgen Zombies eingefangen; inzwischen hatte er ein System entwickelt. Kontrolliert von der KI, kam eine kleine Parade von Servorobotern aus dem Lager gerollt, mit Vorräten beladen, die die Frau hoffentlich die nächsten fünf bis sechs Tage in ihrem Container am Leben und bei Gesundheit halten würden. Ein Beutel mit fein zerhacktem Papier, um am Boden des Containers ein weiches Nest zu
bauen. Ein ganzer Sack Rationswürfel. Eine große Flasche voll Wasser. Eine winzige chemische
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