Raumschiff 3 - Tia
nach Einbruch der Dunkelheit losging, was folgerst du dann?«
»Eine Insektenhypothese?« riet sie. »Nächtlich? Ich muß zugeben, daß giftige und stechende Insekten in der Regel nach Sonnenuntergang auftreten.«
»Hört sich richtig an, finde ich. Sobald ich die Näpfe wieder gefüllt habe, hole ich mir etwas Bettzeug aus dem Lager eines der Opfer, versiegle es in einer Kiste und friere es ein.
Vielleicht ist es so etwas wie ein Floh. Kannst du feststellen, ob die medizinischen Aufzeichnungen der KI irgendwelche entzündlichen Insektenstiche vermelden?«
»Das kann ich«, antwortete Tia, froh, endlich etwas tun zu können.
Die Sonne stand über dem Horizont, als Alex damit fertig war, seine Bettzeugprobe einzupacken und sie in einem
Gefriercontainer zu versiegeln. Er kam wieder hervor,
nachdem er den Container in eins von Tias leeren Docks
verbracht hatte. Sie kümmerte sich um die Versiegelung des Frachtdecks, während er wieder hinausging, um möglichst einen der Zombies einzufangen – eine Bezeichnung, mit der er die Überlebenden gegen Tias Protest bezeichnet hatte.
Es gelang ihr schließlich, die Funkverbindung herzustellen, während er noch draußen auf dem Gelände war, mal hinter dem einen, mal hinter dem anderen Überlebenden herjagte.
Der Druckanzug behinderte ihn mit seinem großen Gewicht, während sie völlig unbelastet, dafür aber von Angst getrieben waren. Er schien ihnen Entsetzen einzuflößen, und aus
irgendeinem Grund brachten sie ihn nicht mit der Verteilung der Nahrung in den Näpfen in Verbindung.
»Sie benehmen sich, als wäre ich eine Art Ungeheuer«,
keuchte er und beugte sich vor, um auf seine Knie gestützt wieder Luft zu holen. »Da sie aufeinander nicht so reagieren, ist es wohl dieser Anzug, wovor sie sich fürchten. Vielleicht sollte ich…«
»Du bleibst im Anzug«, sagte Tia heftig. »Beim leisesten Versuch, diesen Anzug auszuziehen, schalte ich dich mit Schlafgas aus!«
»Aber Tia…«, protestierte er.
»Ich scherze nicht.« Sie setzte ihre Unterhaltung mit dem Stationsgehirn fort – schnelle, hochkomprimierte Datenstöße und entsetzlich lange Pausen, bis die Information durch den Hyperraum übertragen war. »Du bleibst in diesem Anzug! Wir wissen nicht, was die Ursache für all…«
Ein gräßliches Geheul unterbrach sie, und die Außenkamera machte einen Satz, als Alex heftig zusammenzuckte. Zuerst glaubte sie, daß Alex etwas Schreckliches zugestoßen sei…
Doch dann begriff sie, daß das Geräusch aus seinem
Augenmikrofon kam und daß die Bewegung der Kamera von
seinem eigenen erschreckten Rucken herrührte.
»Was zum… « rief er, dann fing er sich wieder. »Bleib dran, Tia. Ich muß feststellen, was das ist, aber es klingt mir nicht nach einem Angriff.«
»Sei vorsichtig«, ermahnte sie ihn furchtsam. »Bitte…«
Doch er gab keine Anzeichen törichten Heldentums; als das Geheul im Licht der untergehenden Sonne fortgesetzt wurde, sprang er von einer Deckung zur nächsten wie ein geübter Guerillakämpfer.
»Fünfzig Meter«, warnte Tia, die anhand der Lautstärke des Geheuls die Entfernung abschätzte. »Sie müssen auf der
anderen Seite dieses Gebäudes sein.«
»Danke.« Alex kroch auf allen vieren weiter und spähte um die Ecke.
Tia sah genau das gleiche wie er, und so hatte sie volles Verständnis dafür, daß er scharf die Luft einzog.
Sie konnte sie nicht zählen, dazu bewegten sie sich zuviel hin und her, aber Tia hatte den Eindruck, daß jeder Überlebende sich in die Ecke des dem Sonnenuntergang am nächsten
stehenden Zauns gedrängt hatte. Ihre Gesichter waren verzerrt von der ersten Gefühlsäußerung, die Tia bisher bei ihnen hatte bemerken können.
Furcht.
»Sie haben Angst, Tia«, flüsterte Alex. »Ich glaube, sie fürchten sich davor, daß die Sonne nicht wiederkehren wird.«
Das könnte wohl sein – aber Tia wurde den Verdacht nicht los, daß es vielleicht an etwas völlig anderem lag. Könnten sie vielleicht eine vage Erinnerung daran haben, daß ihnen in den Stunden der Dunkelheit irgend etwas Entsetzliches
widerfahren war, etwas, das ihr Leben in eine wahre Hölle verwandelt hatte? War das der Grund, weshalb sie vor Furcht heulten und schluchzten?
Als das letzte Licht verschwunden war, verstummten sie
plötzlich – um dann wie hektische Insekten dorthin
davonzuhuschen, was jeder in der Umnachtung seines Geistes für einen Unterschlupf halten mochte. Im nächsten Augenblick waren sie jedenfalls alle fort.
»Du
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