Raumschiff 3 - Tia
stehst vor zwei Problemen.«
Tia wußte, wie sie das Gefühl benennen sollte, das sie empfand, als die nächste Nachricht, die sie von der Basis empfing, nicht von irgendeinem anonymen KD-Arzt, sondern von Doktor Kenny selbst kam.
Erleichterung. Echte, ehrliche Erleichterung.
Obwohl Tia nicht direkt zu ihm sprechen konnte, war Doktor Kenny doch wohl der einzige, der ihnen dabei zu helfen
vermochte, mit dieser Situation fertigzuwerden. Tia richtete ihre gesamte Konzentration auf die eintreffende Übertragung.
»Ihr müßt die Überlebenden einfangen und am Leben halten
– und ihr müßt sie daran hindern, deinen Piloten anzustecken.
Danach können wir uns mit den Symptomen und dem Rest
befassen.«
Also gut, das leuchtete ein.
»Wir haben das Verhalten eurer Subjekte analysiert. Du
hattest recht mit der Feststellung, daß sie sich wie
hirngeschädigte Affen benehmen.«
Es war eine reine Tonübertragung; das Videoband des
Signals wurde zur Übermittlung einer Vielzahl technischer Daten genutzt. Tia wünschte sich, Doktor Kennys Gesicht sehen zu können – aber sie konnte die Warmherzigkeit und Ermunterung in seiner Stimme vernehmen.
»Wir haben sämtliche verfügbaren Daten über jedes
Experiment zusammengetragen, in dem sich das Verhalten der beobachteten Personen mit dem eurer Überlebenden deckt«, fuhr Doktor Kenny fort. »Geh sie einmal durch und stell fest, ob etwas von Bedeutung darunter ist. Tia, ich kann es gar nicht eindringlich genug betonen – egal, was deiner Meinung nach die Krankheit ausgelöst haben sollte, laß Alex nicht aus seinem Anzug steigen. Jetzt, da er hinausgegangen ist, ist seine Außenfläche kontaminiert. Ich möchte, daß du ihn bittest, in seinem Anzug zu bleiben, im Anzug zu schlafen, durch die Anzugluken zu essen und die sanitären Anlagen des Anzugs zu benutzen. Ich würde es vorziehen, wenn er selbst zum Schlafen draußen auf dem Gelände oder in deiner Luftschleuse bliebe –
denn jedesmal, wenn er aus dem Anzug steigt, laufen wir Gefahr, daß eine Dekontamination versagt. Ich glaube, du verstehst mich.«
Nur zu gut, dachte Tia grimmig und erinnerte sich an ihre lange Zeit in der Isolation.
»So, wir haben einen allgemeinen Plan für dich entwickelt«, fuhr Doktor Kenny fort. »Wir glauben nicht, daß ihr dazu in der Lage sein werdet, die Überlebenden einzufangen, so wie sie vor Alex weglaufen. Ihr werdet ihnen also eine Falle stellen müssen. Meine Experten meinen, daß ihr Fallnetze aufbauen könntet, indem ihr Container mit Feldgeneratoren aufstellt und Eßrationen als Köder verwendet. Die technischen Einzelheiten folgen über das Videosignal, aber ich denke, du kannst es dir ungefähr vorstellen. Besonders wichtig wird es sein, die anderen nicht zu verschrecken, wenn ihr einen einfangt.«
Doktor Kennys Stimme hallte hohl in der leeren Kabine; sie dämpfte das Geräusch, damit es nicht ganz so einsam klang.
»Wir wollen einen, höchstens zwei pro Container haben.
Denn wir befürchten, daß sie sich sonst gegenseitig weh tun könnten, wenn man sie zu eng zusammendrängt, und wir
wissen nicht, wie aggressiv sie noch werden können. Deshalb möchten wir, daß ihr sie in den Containern im Frachtraum verstaut. Wenn ihr sie erst einmal eingefangen habt, versorgt ihr jeden Container mit ausreichend Nahrungsmitteln und Wasser für die viertägige Reise bis zur Basis – und dann laßt ihr sie in Ruhe, Tia. Unternehmt nichts mit ihnen. Laßt sie allein. Ich verlasse mich auf deine Vernunft, daß ihr keiner Versuchung nachgebt, in ihren gegenwärtigen Zustand
einzugreifen.«
Doktor Kenny seufzte heftig. »Wir haben auch mit dem
Gedanken gespielt, sie mit Beruhigungsmitteln auszuschalten –
aber sie müssen unbedingt essen und trinken. Wenn sie vier Tage lang ausgeschaltet bleiben, könnte sie das umbringen. Du hast keine Anlagen, um fünfzig Leute in den Kälteschlaf zu versetzen. Also packt sie in Kisten, hofft darauf, daß ihnen die Kisten wie ein gutes Versteck vorkommen, gebt ihnen
Nahrungsmittel und Wasser und schiebt sie in den Frachtraum.
Das wäre alles, Tia. Melde uns alles, was ihr habt, dann bekommt ihr von uns, sobald es geht, die entsprechenden Antworten. Wir sind in Gedanken bei euch.«
Damit endete die Nachricht, und es blieb nur noch das
Trägersignal.
Was jetzt? Ich schätze, ich werde Alex die schlechte Nachricht übermitteln müssen. Und ausrechnen, wie viele Container ich in meinem Frachtraum verstauen kann.
»Alex?« rief sie.
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