Raumschiff 4 - Channa
Junge?«
»Ja, Simeon, ungefähr zwölf Jahre alt – Standardjahre, meine ich –, plusminus vielleicht zwei. In der Triebwerkskabine am Heck. Wo Unbefugten der Zutritt verboten ist, wie ich meine.
Ein Kind, das so aussieht und riecht wie ein Schlammwelpe von Sondee. Wessen Kind ist das? Was können Sie mir über den Jungen erzählen? Sie brauchen gar nicht erst zu tun, als wüßten Sie nichts. Über Nacht setzen Kinder nicht eine solche Patina an. Er sah übrigens auch so aus, als würde er regelmäßig essen, wenn auch nicht sehr gut. Also kümmert sich jemand um ihn… geringfügig.«
Ich glaube, es wäre jetzt keine gute Idee, wenn ich »Du bist richtig süß, wenn du wütend bist« zu dir sage, dachte Simeon.
Er fror ihr Bild ein und untersuchte es auf
Temperaturabweichungen und Pupillenerweiterung. Sie war wegen eines vernachlässigten Kindes wütend, nicht auf ihn.
Das war ja mal glatt eine willkommene Abwechslung.
Außerdem könnte er bei diesem Problem einen Verbündeten gebrauchen.
»Er nennt sich Joat«, gestand Simeon seufzend. »Ich weiß auch nicht, wie lange er schon hier ist. Ich habe ihn selbst nur zufällig entdeckt. Was Technik und Mechanik angeht, ist er brillant. Das Revier, das er sich abgesteckt hat, brauchte plötzlich keine Reparaturen mehr. Das war wahrscheinlich auch der einzige Grund, weshalb ich der Sache nachging. Ich meine, schließlich gibt es hier genügend quietschende Zahnräder. Was soll man sich da um eins kümmern, das leise bleibt? Doch dann fiel mir auf, daß die letzte Reparatur in diesem Abschnitt zwei Jahre zurücklag. Ich wurde neugierig, weil dort nie etwas schiefging. Also habe ich mich auf die Suche gemacht, mit mobilen Wanzen, und habe… na ja, Normalpersonen beschreiben so etwas als Wahrnehmungen
aus dem Augenwinkel. Ich dachte immer, das hätte was mit dem Blinzeln zu tun, Sie wissen schon, daß sich einem die Wimpern ins Gesichtsfeld drängen oder so. Aber ich habe ständig so ein Bewegungsflackern wahrgenommen, und dabei blinzle ich doch überhaupt nicht. Als ich meinen Geräuschempfang aufdrehte, habe ich manchmal ein leises Scharren und auch Bewegungen gehört, aber es wurde von sehr viel weißem Rauschen überlagert. Es schien mir höchst unwahrscheinlich, daß in diesem Sektor alles ganz perfekt lief bis auf meine Sensoren, deshalb habe ich mich auf die Lauer gelegt. Irgendwann wurde er dann unvorsichtig und schlenderte direkt in mein Gesichtsfeld. Als ich ihn das erstemal ansprach, machte es husch!, und schon war er verschwunden. Es hat sehr lange gedauert, bis ich ihn dazu bringen konnte mit mir zu sprechen. Beachten Sie, daß ich vom Sprechen rede, nicht vom Vertrauen. Er ist unglaublich scheu. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß er tolpatschig genug gewesen sein soll, sich vor Ihnen blicken zu lassen.«
»Seit zwei Jahren?«
Darauf ist doch wirklich Verlaß, du Zimtzicke, daß du dir immer die wichtigsten Informationen herauspickst! »Ich habe gesagt, daß die letzten dokumentierten Reparaturen zwei Jahre zurücklagen. So etwas soll vorkommen. Was soll ich dazu sagen? Zwischen zwei Jahren und zwei Monaten, wer weiß?«
»Wer ist er, Simeon?«
»Er behauptet, daß er von einem Trampfrachter
davongelaufen ist. Joat hat mir erzählt, daß der Kapitän ihn von seinem Onkel beim Kartenspiel gewonnen hat. Ich weiß, ich weiß, so etwas ist illegal, aber hier draußen im Busch passiert es trotzdem gelegentlich. Der Tramper hat irgendwann abrupt abgelegt und ist an irgendeinen Ort verschwunden, der nicht in den Karten steht. Joat hatte noch nie ein leichtes Leben, aber es scheint, als ob der Kapitän, vor dem er davonlief, gleich von einer ganz anderen Brutalität besessen war.«
Channa rümpfte die Nase. »Klingt wie eine Geschichte von Dickens.«
»Ja, und je mehr sich die Dinge ändern…« Er ließ den Satz unbeendet stehen. »Was werden Sie jetzt tun?« fragte er vorsichtig. Nach seinem ersten, fatal falschen Eindruck war es ihm nicht so vorgekommen, als neigte Channa nicht gerade zu blutenden Herzen. Würde sie jetzt vielleicht vorschlagen, die Kabine zu fluten, um das arme Kind hinauszuspülen?
»Wir müssen ihn dort herausholen. Wir können es nicht
zulassen, daß sich ein kleiner Junge in einem gefährlichen und für Unbefugte verbotenen Abschnitt aufhält. Das ist mindestens ungesetzlich und nach jeder anderen Norm
verantwortungslos .«
»Dem Jungen ist sehr übel mitgespielt worden, Channa. Er will sich nicht unter Menschen
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