Raumschiff 4 - Channa
Als er die Meßdaten sah, nickte er fast unverzögert. »Ja, Sie dürfen jetzt gehen.«
Mit befriedigtem Seufzen erhob Channa sich. »Äh, ist schon jemand bei Bewußtsein?«
»Ja, ein junger Mann. Er ist immer noch sehr durcheinander, deshalb haben wir ihn noch nicht aufstehen lassen. Er will diesem Mädchen helfen.«
»Können Sie ihn nicht auf eine Bahre oder in einen Stuhl setzen und hinüberschieben?« fragte Simeon. »Vielleicht hilft es beiden.«
»Das hängt davon ab«, erwiderte Chaundra, »wie es ihm
geht.«
»Vielleicht hilft es ihr ja schon, wenn sie ihn nur sieht«, warf Channa ein.
»Einen Versuch ist es wert.« Chaundra zuckte mit den
Schultern und griff einen Schwebesessel von einem Stapel neben der Tür. »Hier entlang«, sagte er, und Chaundra folgte ihm, während sie einen Bademantel überstreifte.
Bei dem fraglichen Mann handelte es sich um den schönen Jungen, den sie selbst verpackt hatte. Simeon sah, wie sich Channas Pupillen weiteten, und gelangte zu dem Schluß, daß sie damit sogar noch begeisterter reagierte, als sie es schon an Bord des Schiffs getan hatte. Pheromone, meinte er weise bei sich. Und weniger Ablenkungen.
Der junge Mann hatte sich auf einen Ellenbogen gestemmt, seine wohlgeformte Stirn glänzte leicht von Schweiß. Er blickte die beiden mit Qual in den hellblauen Augen an.
»Bitte, lassen Sie mich zu ihr«, flehte er. Sein Akzent war exquisit, seine Stimme ein leichter Bariton. Er sprach erkennbaren Standard, wiewohl die Vokale eine archaische Tonalität aufwiesen.
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen, würde Channa ihn wohl noch bis in die Hölle selbst bringen, wenn er nur dorthin wollte. Simeon dagegen wollte ihn von der Station haben.
Solche Typen machen mehr Ärger als schöne Frauen, dachte Simeon. Andererseits – wenn er diese Heulsuse zum Verstummen bringen kann, setze ich ihn sofort auf die Gehaltsliste.
Channa und Chaundra halfen dem Adonis in den Sessel und schoben ihn zu der Pritsche hinüber, auf der die junge Frau lag.
Er griff nach ihrer Hand und begann sie zu streicheln.
Sie hatte hüftlanges dunkles Haar und ein bleiches, knochiges Gesicht von schmucklosem Schnitt und hohen
Wangenknochen. Langgestreckte Augen, mit goldenen
Wimpern und von einem Dunkelblau, das schon beinahe
schwarz wirkte, starrten ihn an, und für einen herrlichen Augenblick verstummten die Schreie. Dann zeigte sich das Weiße um ihre Iris, und bevor Channa oder Chaundra sie daran hindern konnten, hatte sie schon die Karaffe vom Nachttisch gerissen und schlug damit auf ihn ein.
»Du hast das getan! Du hättest mich umbringen können! Ich wäre fast gestorben!«
Mit einem furchtbaren Krachen traf die Metallkaraffe seine Schläfe. Der junge Mann sackte schlaff aus dem Sessel, während das Mädchen, nicht zufrieden mit dem Schaden, den sie gerade angerichtet hatte, versuchte, über die
Schutzverstrebungen an der Seite ihrer Pritsche zu klettern, wobei sie unentwegt schrie, daß es seine Schuld, allein seine Schuld sei. Dann begann sie mit gleicher Heftigkeit zu schluchzen. »Mein Liebster, mein Liebster, was haben sie mit dir getan?«
Chaundras Assistenzärzte und die Oberschwester sprangen auf die Pritsche zu. In diesem Lazarett kamen viele Erzarbeiter zu Besuch, die immer noch aufgekratzt von verschiedenen Freizeitdrogen waren, ganz zu schweigen vom schlichten, altmodischen Äthanol, so daß sie wußten, was zu tun war.
Einer hielt ihre Arme fest, und der andere schlug einen Injektor gegen die Frau. Sofort sackte sie bewußtlos zusammen.
»Doktor«, sagte Simeon entschieden, »schnallen Sie das Mädchen fest, bis sie wieder bei Verstand ist. Das kann sie dann ruhig mir in die Schuhe schieben.«
»Wie Sie wünschen«, erwiderte Chaundra. Die
Krankenschwestern legten die bewußtlose Frau wieder auf die Pritsche, waren aber viel zu professionell, um auch nur das leiseste Anzeichen von Gehässigkeit zu zeigen, als sie die Riemen festschnallten. Chaundra beugte sich über den
bewußtlosen Mann.
»Doch nur ein leichter Schlag«, sagte er, während er ein Augenlid hochhob. »Sollte schon bald wieder bei Bewußtsein sein.«
»Ich bin in meiner Unterkunft, Doktor«, sagte Channa und nahm ihre Kleidung auf, um matt zum Lift zu gehen. Sie trat ein, lehnte sich gegen eine Wand und schloß die Augen.
»Alles in Ordnung?« fragte Simeon besorgt.
Sie lächelte. »Hervorragend, danke.« Sie öffnete die Augen und richtete sich auf, ruderte mit den Schultern, um die
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