Raumschiff 4 - Channa
Sierra Nueva zu der Tür.
Sie klingelte leise, und er wußte, daß sie auf einem
Bildschirm im Inneren sein Konterfei in Echtzeit wiedergab.
Solche Dinger machten ihn immer noch etwas nervös. Auf Bethel hatte man nie allzuviel hochentwickelte Elektronik benutzt. Dort bestanden die Türen meistens aus einfachem, ehrlichem Holz. Wider Willen mußte er lächeln. Hier war Holz ein undenkbar teurer Luxus, während die hochentwickeltste Technik zum Alltag gehörte. Wenigstens hatte er sich richtig ankleiden können: aus dem Gepäck, das irgend jemand in letzter Minute in das Shuttlefahrzeug geworfen hatte. Es war demoralisierend, wie ein Ziegenhirte aus dem Hinterwald auszusehen. Weite schwarze Hosen, die in seinen Stiefeln steckten; ein Gürtel mit Silberschnallen, die seine schmalen Hüften betonten; ein offener Umhang, der seinen Schultern Statur verlieh. Er verneigte sich förmlich, als er eintrat, und nahm vor Channa sein Barett ab.
»Kommen Sie herein.« Channas Stimme klang flach und
müde, als sich die Tür öffnete, doch auf ihrem Gesicht erstrahlte unwillkürlich ein freundliches Lächeln.
Gut, dachte er und erwiderte das Lächeln. Sogar in dieser Stunde der Verzweiflung war es immer noch angenehm, von einer so exotischen und attraktiven Frau angelächelt zu werden. Dann verneigte er sich erneut, diesmal vor der Säule.
Vor Simeon, zwang er sich zu denken. Und versuchte, nicht an das bleiche, deformierte Ding dort drin zu denken, zwischen den Röhren und Nervenbahnen. Immer, wenn ihm dieses Bild kam, wurde es von einem leichten Anflug von Übelkeit
begleitet. Er fürchtete, daß Simeon seine Reaktion bemerken könnte. Er konnte sich verschiedene Sensoren ausmalen, die es schwierig oder unmöglich machten, eine Hüllenperson
anzulügen. Von Guiyon hatte er nie so gedacht. Guiyon war immer im Hintergrund gewesen, eine sympathische Stimme aus seinen ersten Tagen. Guiyon war mein Freund.
»Es tut mir leid zu stören«, begann er. »Nun, da die
dringlichsten Angelegenheiten erledigt sind, möchte ich meinem Wunsch noch einmal Betonung verleihen, bei der auf uns zukommenden Schlacht behilflich zu sein.«
»Wenn unsere Pläne festere Form angenommen haben, wird auch für Sie ein Platz darin sein, das versichere ich Ihnen«, erwiderte Simeon.
Arnos’ Mundwinkel zuckte. Du meinst, wenn du dir etwas ausgedacht hast, was wir tun können, dachte er.
»Wir sind keine ausgebildeten Soldaten«, meinte er mit einem Achselzucken. »Und wir stammen von einer
rückständigen Welt. Aber«, er hob einen Finger, »ich habe mir etwas überlegt, was Sie beide möglicherweise übersehen haben könnten.« Er ließ den Blick von Simeon zu Channa und zurück schweifen. »Es war etwas, was Guiyon gesagt hat, das mich darauf brachte. Er hat zu mir gesagt: Ich gehöre zu den wertvollsten Ressourcen der Zentralwelten. Die Kolnari haben keine Gehirn-Schiffe in ihrer Flotte, und ich habe nicht vor, das erste zu werden.«
»Oh«, murmelte Channa.
»Verdammt«, antwortete Simeon. »Ich wußte es zwar, aber ich habe trotzdem nicht daran gedacht. In den abgelegenen Gebieten sind Gehirne ja sehr rar.«
»Wir müssen Simeons Existenz verbergen. Sonst werden die Kolnari gleich als erstes Simeons Hülle demontieren und sie zu ihrer Flotte zurückschicken. Das darf nicht geschehen.«
»Das darf es tatsächlich nicht«, bestätigte Simeon mit tonloser Stimme. Alle drei wußten, was das zu bedeuten hatte.
Wenn die Kolnari tatsächlich ein Gehirn in die Hände bekämen, würde sie das sofort von einer umherziehenden Horde von Plünderern zu einer hochgradigen Gefahr machen.
»Simeon würde niemals…«, begann Channa hitzig, doch
dann verstummte sie wieder.
»Ja.« Simeon sprach nun so ausdruckslos wie ein
Subroutinenroboter. Es gab Dutzende von unangenehmen
Möglichkeiten, ein gefangenes Gehirn zur Kapitulation zu zwingen. Die wirksamste war zugleich die schlimmste: Man brauchte nur die äußeren Sensorenleitungen zu kappen, was schon binnen eines Tages ein Koma aufgrund sensorischer Deprivation zufolge hatte. »Ich neige dazu, zu vergessen, wie… hilflos ich bin, jedenfalls die meiste Zeit«, fuhr er fort.
»Gewissermaßen zu vergessen, daß ich ein Krüppel bin.«
»Das bist du nicht!« fauchte Channa.
Arnos zuckte bei ihrem Anblick zusammen. Sie schien
förmlich zu kochen. Ich möchte es lieber nicht erleben, daß diese Dame zornig auf mich ist, dachte der Betheliter respektvoll.
Sie zwang sich zur Ruhe. »Verglichen mit
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