Raumschiff 5 - Carialle
traten wie Taue unter seiner schweißglänzenden Haut hervor.
»Zweihundertunddrei«, grunzte er. »Uuaahh!
Zweihundertundvier. Zwei…«
»Schaut mich nur an«, sagte Carialle und verfiel in den Baßoktav, wie er für viele 3-D-Werbesendungen
charakteristisch war. »Bevor ich mit meinem Muskeltraining begann, war ich ein Schwächling von vierundvierzig
Kilogramm. Schaut mich jetzt an! Auch Ihr könnt…«
»Schon gut«, meinte Keff und ließ die Hanteln fahren. Sie schwangen in lärmendem Kontrapunkt hin und her, bis die Metallkabel sich in ihre Arme zurückgezogen hatten. Keff erhob sich von seinem Trainingssitz und rieb sich mit dem Tuch trocken, das über ein Ende seiner Gewichtheberbank ausgebreitet lag. »Ich verstehe zarte Andeutungen durchaus, vor allem, wenn sie mit dem Vorschlaghammer verabreicht werden. Ich wollte nur mal sehen, wieviel diese Maschine aushält.«
»Meinst du nicht eher, daß du mal sehen wolltest, wieviel du aushältst? Eines Tages wirst du dir noch irgendeinen Muskelriß zuziehen«, ermahnte ihn Carialle. Sie stellte fest, daß Keffs Puls über zweihundert betrug, doch dieser Wert verringerte sich zusehends.
»Die meisten Unfälle geschehen im Haushalt«, erwiderte Keff grinsend.
»Es tut mir wirklich leid, daß ich dein Rendezvous mit Susa unterbrechen mußte«, sagte Carialle schon zum
zwanzigstenmal während dieser Schicht.
»Kein Problem«, erwiderte Keff, und Carialle merkte, daß er es diesmal sogar ernst meinte. »Es wäre zwar eine
angenehmere Methode gewesen, meinen Puls auf Trab zu bringen, aber das hier gerade eben war auch ganz nett, danke der Nachfrage.« Er gähnte und ließ die Schultern rollen, um sie zu entspannen, schoß erst mit dem einen Arm vor, dann mit dem anderen. »Jetzt habe ich es nur noch auf eine Dusche und mein Bett abgesehen, liebste Dame.«
»Dann ruhe wohl, du Ritter im glänzenden Muskelpanzer.«
Kurz danach herrschte bis auf die gedämpften Geräusche der summenden und gurgelnden Maschinen Ruhe im
Schiffsinnern. Die Techniker der SSS-900 hatten ganze Arbeit geleistet, obwohl sie unter größtem Zeitdruck gestanden hatten. Carialle überprüfte die Systeme eins nach dem anderen, vermerkte bei den entsprechenden Komponenten jeweils entweder Reparaturen oder Austausch. Diese Art der
Buchhaltung kostete ziemlich viel Zeit. Carialle ertappte sich dabei, wie sie sich nach Gesellschaft sehnte. Ein perverser Gedanke, da sie doch wußte, daß es noch Stunden dauern würde, bis Keff erwachte.
Noch hatte Carialle sich nicht weit genug von den
Flugbahnen der Schürfer entfernt, als daß sie nicht mit anderen Schiffen in diesem Sektor hätte tratschen können, doch sie wagte es nicht, einen Funkkanal dafür freizugeben, weil Maxwell-Corey sonst von ihrem Verbleib erfahren könnte.
Und so ließ ihre erzwungene Isolation des lautlosen Flugs reichlich Zeit für ihre eigenen Gedanken.
Keff stöhnte leise im Schlaf. Carialle aktivierte die Kamera unmittelbar hinter seiner verschlossenen Tür, um kurz nachzusehen; dann schaltete sie die Beleuchtung herunter und ließ ihn in Frieden. Der Muskel lag mit dem Gesicht nach oben auf seiner Pritsche, einen Arm über Stirn und rechtes Auge gelegt. Er hatte die dünne Thermodecke heruntergeschoben, und nun lag sie keusch drapiert um seine Lenden und ein Bein, das gelegentlich zuckte. Auf dem Nachttisch lag ein Exemplar aus seiner kostbaren Kollektion echter Bücher aufgeschlagen mit dem Gesicht nach unten. Dieses Stilleben wäre eines Werks der Alten Meister der Erde würdig gewesen – Herkules, der sich von seinen Arbeiten ausruhte. Frustriert, weil ihm die Nahbegegnung mit dem weiblichen Geschlecht verwehrt
geblieben war, hatte Keff sich zu seiner steifen Masse aus Sehnen trainiert. Seine Muskeln zahlten ihm den Mißbrauch heim, indem sie für einen unruhigen Schlaf sorgten. Wenn er sich zur nächsten Schicht von seinem Lager erhob, würde ihm jedes Gelenk weh tun, bis er die Steifheit durch Training wieder abgebaut hatte. Im Laufe der Jahre brauchte Keff zunehmend länger, um sich aufzulockern, doch er blieb trotzdem dabei und war stolz auf seine hervorragende körperliche Kondition.
Carialle hielt die Weichschalen für seltsam. Sie unterzogen sich gewaltiger Mühen, um ihren Körper aufzubauen, der dann mit einer ungeheuren Anstrengung weiterhin gewartet werden mußte, die in keinerlei Verhältnis zum langfristigen Ergebnis stand. Sie waren ja so schutzlos! Selbst der Streß körperlichen Trainings, den
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