Raumschiff 5 - Carialle
tatsächlich einen Punkt gemacht: Er hatte gewußt, daß sie sich seinem Befehl widersetzen würde und hatte
dementsprechend zwei Kundschafter losgeschickt, um sie aufzubringen. Das könnte möglicherweise bedeuten, daß er sogar eine Warnmeldung des Inhalts abgesetzt hatte, daß Carialle eine Gefahr für sich selbst und ihren Muskel darstellte, weshalb man sie – notfalls auch gegen ihren Willen –
unbedingt zurückbringen müsse. Ob die kleinen Kundschafter ihre Energiepartikel aufgenommen hatten? Eigentlich hätte sie die Taktik des alten Sennet doch vorhersehen und mit ebendieser Maßnahme rechnen müssen. Sie hätte statt dessen auf Tauchstation gehen und ihre Aggregate abschalten sollen.
Na schön. Es ließ sich wirklich nicht leugnen, daß die Nähe des GI sie in einen Zustand der Verwirrtheit versetzte. Sie stellte ihre Adrenalinwerte neu ein. Ganz ruhig, Mädchen.
Immer mit der Ruhe. Denk lieber nach!
Ein schneller Blick durch ihre Sternenkarte zeigte ihr einen Ionensturm, keine zweitausend Kilometer entfernt. Carialle hielt darauf zu. Sie durchstieß den Außenrand des Sturms.
Nachdem sie sich von ihrem Computer die größtmögliche Strahlenbelastung hatte ausrechnen lassen, der sie sich aussetzen durfte, ohne daß ihre Systeme versagten, fuhr sie geschmeidig über die Oberfläche – wie ein Wellenreiter in gefährlichem Gewässer. Das Gefühl war einfach toll!
Gewöhnliche Piloten, die nicht die Fähigkeit besaßen, die unterschiedlichen Drücke auf ihrer Schiffshaut zu spüren, wie sie es tat, würden ihr hier nur zögernd folgen. Zudem konnten sie Carialle mit ihren Meßgeräten in dem Strom der Ionenstatik unmöglich orten. Es dauerte nicht lange, bis Carialle sicher sein konnte, daß sie ihre Verfolger abgeschüttelt hatte. Aus dem Ionensturm hervortretend, flog sie einen scharfen, rechten Winkel und beobachtete, wie der undurchsichtige Schimmer des Sturms hinter ihr zurückwich, während sie ihren
Antriebsaggregaten vollen Schub gab, bis sie mit
Höchstgeschwindigkeit dahinflog.
Als sie sich wieder dem Spiel zuwandte, bemerkte sie, wie Keff gerade bei einem kalten Bier in der ›Dorfkneipe‹ die schwebende Holokarte studierte. Sie sprach ihn an, und er blickte zu ihrer Säule hinüber.
»Ich nehme an, daß wir keine unerwünschte Gesellschaft mehr haben?«
»Mit etwas Glück und der schieren Unbesiegbarkeit unserer strahlungsresistenten Schutzpanzerung«, bestätigte Carialle,
»sind wir den Schergen des bösen Hexers entkommen. Nun ist es an der Zeit für einen Umtrunk.« Sie überprüfte ihre eigene Adrenalinermüdung und genehmigte sich einen kurzen Stoß Proteine und Vitamin-B-Komplex.
Keff prostete ihr zu. Eine schnelle Analyse bestätigte ihr, daß das goldene Getränk zwar so aussah wie Bier, daß es sich dabei aber in Wirklichkeit um den nichtalkoholischen Elektrolyt-Auffrischer handelte, den Keff nach seinem Körpertraining einzunehmen pflegte. »Auf deinen behenden Fuß und deine Schläue, meine Schöne, und möge die
Verwirrung unsere Feinde strafen. Äh, ist mein Kaffee auch an Bord gelangt?«
»Jawohl, edler Herr«, erwiderte sie und ließ das Bild eines salutierenden Matrosen auf der Wand erscheinen. »Der Zeughausmeister hatte gerade noch genug Zeit, um etwas von dem guten Stoff auszuteilen, als Simeon seine Nachricht weitergab. Ich habe dir sogar eine geringe Menge Schokolade besorgt. Beste Ware aus Demubia.« Keff strahlte.
»Ach, Cari, nun weiß ich wirklich um deine Liebe zu mir.
Und hattest du vielleicht sogar noch Zeit, einige meiner besonderen Order zu laden?« fragte er mit einem kurzen Kopfnicken.
»Nun, da du es erwähnst, im Frachtraum sind zwei Kisten mit deinem Namen darauf«, bestätigte Carialle.
Peng. KRACH! Peng. KRACH!
Das glänzende Gerät aus Stahl, das sich Rotoflex nannte, war sehr schnell zusammengebaut gewesen. Noch schneller hatte Keff das Lehrvideo zu seinem Gebrauch angeschaut. Nun saß er auf dem mit Kunstleder bezogenen modifizierten Sattel, in jeder ausgestreckten Hand einen zügelähnlichen, metallenen Flaschenzug. Sein breites Gesicht war rot von der
Anstrengung, während er langsam eine Faust anzog, bis sie sein Schlüsselbein berührte, um sie danach wieder
auszufahren. Die schweren Kabel schepperten, als sich die Widerstandsfedern strafften, um sich mit dumpfem Aufprall wieder zu entspannen, sobald Keff den maximalen Zug
erreicht hatte. Mit zusammengekniffenen Augen zog er die zweite Faust an. Die Sehnen an seinem Hals
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