Raumschiff 5 - Carialle
anerkennend.
»Ich sehe allerdings nicht ein, weshalb das Fehlen eines Fingers ihrer Fähigkeit Abbruch tun sollte, auch komplizierte Werkzeuge zu entwickeln. Schließlich benutzen sie ja bereits einige davon.«
»Es wäre für mich eine größere Enttäuschung, wenn sie keinen Daumen besäßen«, sagte Keff. »Eine neue
Humanoidenart! Über die kann ich einen Forschungsbericht verfassen.« Mit wachsender Begeisterung ging auch Keffs Atmung schneller. »Eine Parallelentwicklung zum Homo sapiens terraneum? Eine eigenständige Evolution abseits jener der irdischen Menschheit?«
»Da ist es doch sehr viel wahrscheinlicher, daß sie hier vor Tausenden von Jahren befruchtet wurden«, schlug Carialle vor, wohl wissend, daß sie Keffs Begeisterung dämpfen mußte, bevor sie aus dem Ruder lief. »Vielleicht eine vergessene Kolonie?«
»Aber die physischen Unterschiede würden ganze Äonen brauchen, um sich zu entwickeln«, wandte Keff ein. Die Wahrscheinlichkeit einer Parallelentwicklung war zwar verschwindend gering, doch die Vorstellung, möglicherweise auf einen unbekannten Vetter ihrer eigenen Rasse gestoßen zu sein, reizte ihn sehr. »Wissenschaftlich gesehen müssen wir das natürlich in Betracht ziehen, vor allem angesichts der Vielzahl kolonialer Expeditionen, die nie eine sichere Landung gemeldet haben.«
»Ja, diesen Aspekt sollten wir in der Tat ernsthaft
berücksichtigen«, erwiderte Carialle, doch sie tat es ohne Sarkasmus.
Indem er seine Kieferlade vorstreckte, steigerte Keff die Reichweite seines Distanzmikrofons, um den Einheimischen zu lauschen, wie sie einander anriefen. Alle Bewohner dieses Orts waren mit der Wurzelernte beschäftigt. Falls es überhaupt irgendeine formalisierte Schulausbildung für die Kleinen gab, mußte sie für die Dauer des Einbringens der Ernte
zurückgestellt worden sein. Wie es für Ackerbaukulturen typisch, drehte sich das ganze Leben um die Früchtefolge. Auf den weiten Feldern befanden sich Humanoide aller
Altersklassen und Körpergrößen, die dort die Wurzeln ausgruben. Sie schienen in Gruppen von acht bis zehn Personen eingeteilt zu sein, die jeweils unter Aufsicht eines männlichen oder weiblichen Anführers standen, welche wiederum zusammen mit den Gruppenmitgliedern Feldarbeit leisteten. Es waren keine Aufseher zu beobachten;
offensichtlich schien also jeder seine Aufgabe zu kennen, zu beherrschen und auch zu erfüllen. Wer langsam arbeitete, wurde durch wütende Blicke und Gruppendruck angespornt.
Keff fragte sich, ob die Arbeiter wohl nach ihren Fertigkeiten ausgesucht worden waren oder ob die Arbeitseinteilung auf Erbfolge oder den Pflanzungsreihen der Familienclans beruhte.
Weitab von den Arbeitstrupps, wo sie niemanden stören konnten, paßten kleine Kinder auf Säuglinge auf, wobei sie sich so dicht wie möglich in der Nähe eines niedrigen Höhleneingangs hielten, an dem Carialle Wärmespuren
wahrgenommen hatte, was darauf hinwies, daß der Eingang zu ihrer Behausung führte. Es leuchtete durchaus ein, daß die Einheimischen unterirdisch lebten, wo die konstante
Temperatur ungefähr vierzehn Grad betrug, also wärmer war als an der Oberfläche. Eine solche Unterkunft wäre leicht zu heizen, wobei das Erdreich selbst als Isolation diente. Nur den Hunger hätte Keff in dieser Kälte Tag um Tag nach draußen treiben können, um dort Ackerbau zu betreiben oder zu jagen.
Hätte Keff einen Planeten entwerfen müssen, der von
Subsistenzwirtschaft abhing, er hätte es nicht besser machen können. Die Tage waren zwar lang, doch zwischen
Sonnenaufgang und Sonnenuntergang gab es keinerlei
Temperaturschwankungen. Nur die zählebigsten Menschen würden diese Verhältnisse überleben und sich fortpflanzen können; gleiches galt für die Pflanzen. Darüber hinaus war es bestimmt kein leichtes, in diesem steinigen Boden Feldfrüchte anzubauen. Keff nahm eine Prise davon und zerrieb es zwischen Zeigefinger und Daumen.
»Hohe Konzentration von Silikatlehm in diesem Boden«, meldete Carialle, als sie es bemerkte. »Sehr schweres Erdreich, sowohl für den Bauern als auch für die Pflanze.«
»Könnte mehr Sand und Dünger gebrauchen«, ergänzte Keff.
»Und Wasser. Wenn wir uns erst einmal kennengelernt haben, können wir ihnen Bewässerungs-und
Bodenverbesserungsmethoden vorschlagen. Siehst du die flache, pfannenähnliche Mulde oben am Kopf des Ackers?
Dort gießen sie das Wasser hinein, das sie zu Fuß den Berg hinauf befördern.« Eine Reihe
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