Raumschiff 5 - Carialle
schwebte. »Komm her und sieh selbst. In meinem ganzen Archiv habe ich noch nie etwas entdeckt, das dem ähnlich wäre.«
»Ich erspähe mit meinem kleinen Auge ein Rätsel von
riesigem und bedeutsamstem Ausmaß«, sagte Nokias, dessen goldene Kugel hinter ihnen schwebte, während sie versuchten, die Runen zu entschlüsseln.
»Es ist eine wunderbare Illusion«, meinte Howet und schoß ein gutes Stück zurück, um das ganze Objekt aus der Ferne zu begutachten. »Denn woher soll ich wissen, daß es sich dabei nicht bloß um einen Trick Ferngals handelt? Metall und Feuer
– das bedeutet noch kein Wunder, Hochhexer. Ich selbst könnte so etwas auch erbauen.«
»Es ist von sehr eigenwilliger Beschaffenheit«, meinte Nokias.
»Ferngal hat für so etwas doch gar nicht genug
Vorstellungskraft«, wandte Potria ein.
»Es ist wunderschön«, sagte Plenna, die glatten Kurven bewundernd.
Iranika höhnte: »Schön, aber nutzlos!«
»Woher willst du das wissen?« fauchte Potria.
Während ihre Servos sich um Keff kümmerten, behielt Carialle den Gebirgszug im Süden weiterhin im Auge. Es regnete nicht; doch woher stammte dann dieser Blitzschlag, sofern es tatsächlich einer gewesen sein sollte? Eine elektrische Entladung solcher Stärke mußte einen Ursprung haben. In der fraglichen Richtung stellte Carialle nichts fest, was dem entsprochen hätte, nicht einmal eine Konzentration leitfähigen Erzes in den Bergen, das als verstärkendes Element hätte wirken können. Die Tatsache, daß der Blitz so dicht vor Keffs Füßen eingeschlagen war, wies auf eine gezielte Handhabung hin.
Die Luft in ihrer Umgebung fühlte sich ionisiert an, leer, beinahe brüchig. Nach dem Blitzschlag begann die
Atmosphäre sich langsam zu normalisieren, als strömten die Elemente nach – wie Wasser, nachdem man einen Stein auf eine Teichoberfläche geworfen hatte.
Ihre Sensoren nahmen leises Rumpeln wahr, und wieder leerte sich die Luft um sie herum. Diesmal spürte sie einen Wind, der hart in Richtung Gebirgszug wehte. Plötzlich schlugen die scharlachfarbenen Blitze wieder ein, zwei zerklüftete Speere, die sich auf einem fernen Gipfel miteinander vereinten. Und dann stoben von der
Einschlagstelle winzige Partikel auf sie zu, wie die Funken unter dem Hammer eines Schmieds.
Schnell konzentrierte sie sich auf die nahenden Geschosse.
Ihre Form war zu regelmäßig, als daß es sich um Steinsplitter hätte handeln können; außerdem schienen sie ihren eigenen Antrieb zu haben und sogar noch zu beschleunigen. Die Analyse traf erst wenige Sekunden vor den Artefakten selbst ein. Es waren vollkommen geformte Kugeln, glatt und in kräftigen Farben, an deren Vorderseite ein Teil abgeschnitten war; dieser wies eine linsenartige Vorrichtung auf.
Seltsamerweise konnte Carialle im Innern der Kugeln keine Apparaturen ausmachen: Sie schienen hohl zu sein.
Die Kugeln umflogen sie im Spiralflug, als würde irgendein phantastischer Jongleur sie allesamt gleichzeitig durch die Luft wirbeln. Carialle bemerkte schwache
Niedrigfrequenzübertragungen. Die Kugeln schickten offenbar Daten an ihren Ausgangpunkt zurück. Sie koppelte das IÜP
mit ihren Außeneinrichtungen.
Ihre erste Vermutung, daß die Daten lediglich für die jeweiligen Absender der Kugel bestimmt waren, erwies sich als falsch, als sie die alternierenden Sendemuster bemerkte und die leisen Funkantworten der nichtsendenden Kugeln auffing.
Die sprachen ja miteinander! Als Carialle die Frequenz bestimmt hatte, konnte sie auch die Stimmen selbst
vernehmen.
Mit Hilfe des Vokabulars und der grammatischen Regeln, die Keff im Gespräch mit Brannel und den anderen aufgezeichnet hatte, versuchte sie, die Gespräche zu entschlüsseln.
Das IÜP ließ lange, unübersetzbare Lücken in seiner
Übertragung frei. Die Sprache von Ozran war ebenso
kompliziert wie das Standard. Keff hatte gerade erst damit begonnen, ihre Syntax zu analysieren und ein Vokabularium aufzubauen. Carialle zeichnete sicherheitshalber alles auf, ob sie es verstand oder nicht.
»Verdammt, Keff, wach auf!« sagte sie. Das hier war
schließlich seine Spezialität. Nur er konnte das IÜP richtig bedienen, das rätselhafte Gerät auf die Variablen und Parameter der Sprache einstellen. Die Wortfetzen, die Carialle verstand, stachelten nur ihre Neugier an.
»Kommt her«, sagte eine der farbigen Kugeln mit schriller Stimme zu den anderen. »… (irgend etwas) nichts… wie (unübersetzbar).«
»… (unübersetzbar)… wie
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