Raumschiff Monitor - Alle sechs Romane
noch auf Erdumlaufbahn? Es kann sein, daß sich die Meuterer untereinander zerstritten haben.«
Charivari wartete eine Weile, doch es kam keine Gedankenantwort. Nun, dachte er, nichts los. Sonst säße einer am Telepathor. Wahrscheinlich werden sie in der Bordküche, im Freizeit-Center oder in den Kabinen sein.
Vorsichtig tat er die kostbaren Augenhaftschalen auf ein Taschentuch. In diesem Moment tönte es durch den Warnverstärker der Bodenstation: »Professor! Professor Charivari! Wo sind Sie?«
Der Professor erstarrte.
Das Sausen und Summen in seinen Ohren hatte sich gegeben. Auf einmal unterschied er eine Fülle von nahen und entfernten Stimmen und Geräuschen.
»Professor!« Das war der Bauer Dix, der ihm diesen westlichen Teil des Hochmoors mit der Steilküste verkauft hatte. Aber nicht nur Dix lief da oben über der geheimen Bodenstation herum, in seiner Begleitung befanden sich eine Menge Leute, wie die Lautsprecher-Warnanlage verriet. Soldaten, Feuerwehr, Polizei – das hörte er an den Anreden. Man suchte etwas!
Eisig durchzuckte es den Professor: Hatte man etwa Verdacht geschöpft? War man ihm auf die Spur gekommen? Ahnte man das Vorhandensein der geheimen unterirdischen Station und der Raumschiffgarage vor der Küste?«
Jahrelang hatte Charivari den günstigsten Platz für die geplanten Anlagen gesucht, und er hatte ihn hier im verrufenen Hochmoor, nahe den Todesklippen, gefunden. Die Leute im Badeort Marac hielten ihn für einen harmlosen gelehrten Kauz, einen reichen alten Mann, dessen Hobby es war, in den Höhlen Bodentests durchzuführen, Gesteinsproben zu sammeln und ein Buch darüber zu schreiben. Kaum jemals kam einer zu der armseligen Hütte, die zwischen Büschen über der supermodernen Bodenstation ihr windschiefes Dasein fristete – und in der der menschenscheue Gesteinsforscher zu wohnen vorgab.
»Professor Charivari!« gellte es wieder durch die Warnanlage. Der Rufer – und die übrigen Sprecher dort oben hatten keine Ahnung, daß ihre Stimmen über viele Verstärker durch die Bodenstation hallten. Der Professor hörte an ihren Worten, daß sie zum Glück noch nicht wußten, wo sie ihn suchen sollten. Trotzdem dachte er fieberhaft: Ich muß hinauf, muß den Ahnungslosen spielen. Hastig steckte er das Taschentuch in die Kitteltasche. Dabei entglitten ihm die telepathischen Haftschalen, und knacks, knirsch, trat er darauf. Ächzend bückte er sich. Als er sich wieder aufrichtete, sah er sein totenblasses Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken. Er hatte allen Grund, so bleich zu sein: Die kostbaren kleinen Plättchen, die Haftschalen, die ihn im wahrsten Sinne des Wortes mit der Besatzung des Monitors« verbanden, waren unter seinen Füßen zersplittert.
Er würde den Funkbetrieb wiederaufnehmen müssen, und die junge Mannschaft des Raumschiffes würde die Sende-und Empfangsanlagen auch wieder einschalten, wenn sie merkte, daß über den Telepathor keine Gedankenvermittlung mehr möglich war. Aber Charivari mußte die Station verlassen. Man suchte ihn. Oben im Hochmoor und bei den Klippen schien der Teufel los zu sein. In das Stimmengewirr mischte sich das Geräusch von Automotoren und das Knattern von Hubschraubern.
Der Professor streifte den weißen Kittel ab, lief in den Nebenraum und zerrte eine speckige, alte Jacke aus einem Schrank. Dann nahm er den Stock, den er stets trug, wenn er übers Hochmoor nach Marac ging.
An der Tür stutzte er. Rasch ging er noch einmal zum Schrank, kramte nach einem flachen Kästchen, öffnete es und entnahm ihm eine Brille – richtiger: zwei Teile einer Brille, denn das linke Glas war aus der angeknacksten Fassung gesprungen.
Besser als nichts, dachte er verzweifelt. So gut wie die Haftschalen ist das kaputte Ding nicht, aber es wird die einzige Möglichkeit sein, mit Monitor in Verbindung zu treten, wenn ich oben im Freien bin.
Die Brille war zu telepathischen Zwecken zu gebrauchen wie die Augenhaftschalen, nur war sie alt. Sie stammte noch aus der Zeit der Versuche. Das dümmste war, daß man mit dem herausgesprungenen Glas und dem Gestell jonglieren mußte. Das würde die erforderliche geistige Anspannung beeinträchtigen.
Eilig durchquerte der Professor die gleißenden, leeren Räume der Bodenstation. Er lief durch Gänge, Schleusen, Kammern und wieder durch Gänge, bis er eine Art Schrank erreichte. Hier endete der blitzsaubere Kunststoffußboden, hier endeten auch die glatten, metallisch schimmernden Wände mit ihrem künstlichen,
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