Raumzeit - Provokation der Schoepfung
wohl aus, wenn wir auf einem Lichtstrahl …« Einstein macht eine Pause und betrachtet seine Freunde mit einen spitzbübischen Lächeln.»… mit der Geschwindigkeit von beinahe 300000 Kilometern in der Sekunde durch den Weltraum rasen könnten?«
»Ohne Bezugspunkte würden wir überhaupt nicht merken, dass wir durch das Universum reisen«, antwortet Solovine.
»Was das Problem der Bezugspunkte angeht, sollten wir uns hier noch einmal das Beispiel des englischen Philosophen John Locke vor Augen führen«, sagt Einstein und zündet sich seine erkaltete Zigarre wieder an. »Er hat interessanterweise schon vor dreihundert Jahren ein Szenario mit Schachfiguren angeführt. Lassen wir nämlich Schachfiguren unverändert auf ihrem ursprünglichen Platz stehen, sagen wir, sie seien an ihrem Ort geblieben oder seien unbewegt – selbst wenn das Schachbrett in einen anderen Raum gebracht würde. Auch ein Schachbrett, das einen festen Platz in der Kabine eines fahrenden Schiffes hat, ist für uns unbewegt.
Wenn sich der Abstand des Schiffes zu verschiedenen Objekten an Land nicht verändert, behaupten wir, dass es sich nicht bewegt, obwohl sich die Erde inzwischen gedreht hat.«
»Und damit haben alle Objekte«, stellt Habicht fest, »Schachfiguren, Brett und Schiff, ihren Standort relativ zu anderen Körpern verändert.«
»In Wirklichkeit ist alles noch viel komplexer.« Einstein verfolgt nachdenklich den Rauch seiner Zigarre. »Denn die Erde dreht sich nicht nur um die eigene Achse, sondern bewegt sich dabei gleichzeitig mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern in der Sekunde um die Sonne. Nicht genug damit, wandert unser Sonnensystem zusätzlich noch innerhalb des Spiralarms unserer Milchstraße pro Sekunde 20 Kilometer weiter.«
»Ja, und auch unser Sternensystem, die Milchstraße, mit ihren rund 200 000 Millionen Sternen bewegt sich relativ zu anderen Galaxien mit 160 Kilometern pro Sekunde fort«, sagt Solovine.
»Mir fällt hier ein einfaches Beispiel ein, das jeder kennt«, wirft die Physikerin Mileva ein. »Wenn wir zum Beispiel in einem Zug sitzen, auf die Abfahrt warten und dabei durchs Fenster einen anderen Zug auf dem Nebengleis beobachten, wissen wir nicht, ob sich unser Zug unmerklich in Bewegung gesetzt hat oder auch nicht, wenn der andere plötzlich an uns vorüberzugleiten scheint. Das können wir doch erst dann feststellen, wenn wir uns an einem festen Bezugspunkt auf dem Bahnsteig orientieren.«
»Bravo, Mileva! Du hast unsere Überlegungen anschaulich auf die Erde zurückgeholt«, ruft Solovine erfreut.
»Wenden wir uns doch einmal dem Phänomen Zeit zu«, sagt Einstein, »Ich habe mir ein Gedankenexperiment ausgedacht, das die Newton’sche absolute Zeit widerlegt. Also stellen wir uns doch folgendes Beispiel vor. Während eines Gewitters hat sich ein Mann in der Nähe eines Bahndamms untergestellt. Er beobachtet, wie zwei Blitze gleichzeitig in die Gleise einschlagen. Daraus schließt er, dass sie genau zur gleichen Zeit niedergingen – der eine weit entfernt von ihm in östlicher Richtung und der andere in der gleichen Entfernung im Westen. Im Moment der Blitzeinschläge rast ein Zug an ihm vorbei, der von Osten nach Westen fährt. Ein Mitreisender hat die Blitze am Fenster seines Abteils ebenfalls gesehen. Aber seiner Beobachtung nach schlugen sie nicht gleichzeitig ein. Da sich der Zug rasch in westlicher Richtung fortbewegt, braucht das Licht des Blitzes im Osten länger, bevor es den Zugreisenden erreicht. Den im Westen einschlagenden Blitz sieht er früher, weil er sich selbst in dieser Richtung fortbewegt, ihn das Licht also schneller erreicht. Im Gegensatz zum stationären Beobachter am Bahndamm, der zwei gleichzeitig einschlagende Blitze sieht, beobachtet der Zugreisende zwei aufeinanderfolgende Blitze. Zuerst einen im Westen und den zweiten im Osten. Bei einer anderen Folge der Blitzeinschläge wäre es aber durchaus möglich, dass der Zugreisende sieht, wie zwei Blitze gleichzeitig einschlagen, während der Mann am Bahndamm zwei aufeinanderfolgende beobachtet. Welche Beobachtung stimmt nun?« Einstein blickt Habicht und Solovine herausfordernd an.
»Eigentlich die eine wie die andere«, sagt Habicht nach kurzem Zögern.
»So sehe ich das auch«, bestätigt Einstein. »Und das heißt, jeder Bezugskörper oder jedes Koordinatensystem hat seine eigene, besondere Zeit. Im Übrigen bin ich absolut überzeugt davon, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht nur eine Naturkonstante ist,
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