Raumzeit - Provokation der Schoepfung
schienen den gesunden Menschenverstand völlig zu überfordern. Denn normalerweise muss doch angenommen werden, dass beispielsweise das von einem Raumschiff in Flugrichtung ausgestrahlte Licht nicht nur mit der eigenen Geschwindigkeit, sondern zusätzlich mit der des Raumschiffes addiert werden muss. Aber nach Einstein trifft dies nicht zu, denn unabhängig davon, ob das Raumschiff auf uns zukommt oder von uns wegfliegt, bleibt die Geschwindigkeit des von ihm ausgestrahlten Lichts immer gleich.
Am erstaunlichsten sind jedoch Einsteins Schlussfolgerungen über die bis dahin uns vertraute Vorstellung von der Zeit. War man der Ansicht, dass Zeit eine Art universelle Uhr verkörperte, die unaufhörlich unbeeinflusst, gleichmäßig tickt. Egal, wo wir uns befinden, ob am Nordpol, Südpol, in Europa oder Australien, auf sie wäre immer Verlass und sie würde immer die gleiche Zeit anzeigen. Auch in diesem Zusammenhang schockierte Einstein mit seinem Konzept die wissenschaftliche Welt. Er sagte kategorisch: »Nein. Zeit ist dehnbar. Sie lässt sich zusammenstauchen, sie ist flexibel und abhängig vom Beobachter.«
So tickt eine Uhr langsamer, die im Verhältnis zu uns in Bewegung ist, als eine stationäre Uhr. Einstein hat sich einmal vorgestellt, dass er sich in einer Straßenbahn mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, weg von einer Kirchenuhr. Die Kirchenuhr würde stehen bleiben, während seine Uhr in der Straßenbahn normal geht. Kommen wir noch einmal zurück zu unserem Reisenden im Zug, der vorher die Blitzeinschläge beobachtet hat. Dieser Reisende hat eine Spiegeluhr. Sie besteht aus zwei Spiegeln, einen an der Decke und einen auf dem Boden. Ein Lichtstrahl wird ständig, regelmäßig von oben nach unten und von unten nach oben reflektiert. Unser Zug fährt auf gerader Strecke mit konstanter Geschwindigkeit von 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Mit dieser Geschwindigkeit rast auch der Zug an dem Beobachter am Bahndamm vorbei. Er kann die Spiegeluhr durch das große Fenster im Wagen sehen. Doch er sieht den Lichtstrahl nicht in seiner reflektierten Auf-und-ab-Bewegung, sondern eine Seitwärtsbewegung des Lichtstrahles, zusammen mit dem vorbeirasenden Zug, da der Lichtstrahl der Spiegeluhr durch die Fortbewegung des Zuges einen längeren diagonalen Weg zurücklegen muss. Also läuft hier unsere Photonenuhr für den Reisenden und für den Mann am Bahndamm mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, denn der Lichtstrahl legt für den Beobachter am Bahndamm einen längeren Weg zum zweiten Spiegel zurück.
Abb. 2: Tickende Photonenuhr: Der Passagier im Zugabteil sieht die Lichtuhr stationär mit der vertikalen Auf-und-ab-Bewegung des Photons. Der Beobachter auf dem Bahnsteig dagegen sieht die Photonenuhr mit dem Zug vorbeirasen und registriert dadurch, wie das Lichtteilchen einen längeren diagonalen Weg zurücklegt.
Aber unser Mann am Bahndamm bemerkt einen zusätzlichen Faktor, nämlich, dass sich der Zug in seiner Bewegungsrichtung zusammenzieht, also verkürzt. Für den Reisenden im Zug ist alles normal. Seine Spiegeluhr läuft unverändert und die Zuglänge ist nicht beeinträchtigt. Die Beeinflussung der Zeit durch Bewegung ist die erstaunlichste Erkenntnis der Relativitätstheorie. Denn das heißt: Für zwei Beobachter, die sich relativ zueinander bewegen, läuft die Zeit unterschiedlich ab. Sein Begriff der Zeitdilatation, also der Zeitdehnung, strapazierte damit erst einmal den sogenannten gesunden Menschenverstand, den Einstein als Hinterlassenschaft vorgefasster Meinungen abtat.
Nachdem Einstein die absoluten Größen Zeit und Raum entthront hatte, befasste er sich mit einem weiteren Grundbegriff der klassischen Physik, und zwar der Masse. Masse sei nichts anderes als verfestigte Energie, stellte er fest. Und jede Energie setze Materie frei und umgekehrt. Demzufolge handle es sich bei Photonen, also Lichtteilchen, um masselose Teilchen, die sich nun in Form von Energie mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen würden. Bei Unterlichtgeschwindigkeit verdichte sich dagegen Energie durch das verringerte Tempo zu Materie. Einstein erkannte, dass mit steigender Geschwindigkeit eine Zunahme an Masse stattfindet.
Aus der Tatsache, dass zur Beschleunigung eines Körpers Energie erforderlich ist, schloss Einstein auf eine Verbindung zwischen Energie und Masse. Er legte in seiner genial einfachen Formel E < mc 2 fest, wieviel Energie (E) sich aus Masse (m) bildet. Oder anders formuliert: Masse muss mit dem Quadrat der
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