Raumzeit - Provokation der Schoepfung
Großvaterparadoxon: Ich reise zurück in die Vergangenheit, töte meinen Großvater, bevor er meinen Vater gezeugt hat, sodass dieser mich nicht zeugen konnte. Damit würde ich nicht existieren, und wie kann ich dann in der Zeit zurückreisen, um meinen Großvater zu töten?« Hürlimann blickt ironisch in die Runde. »Ich könnte ja auch in der Zeit zurückreisen«, bemerkt Chandraseka süffisant. »Sagen wir mal zehn Jahre zurück, und erschieße sie, Hürlimann. Dann könnten sie heute ihre Erdnüsse nicht sortieren.«
»Nachdem sie das nun angekündigt haben«, kontert Hürlimann verbissen, »werde ich mich entsprechend vorbereiten, oder?«
»Aber das vor zehn Jahren«, grinst Rudkow.
»Ich möchte doch bitten«, übernimmt der Vorsitzende die Diskussion. »Es geht hier um eine ernste Angelegenheit, obwohl die Paradoxa-Problematik bis heute nicht richtig geklärt wurde.«
»Zu diesem Thema gibt es ein interessantes Beispiel.« Die Historikerin Dr. Khadiga Sherif aus Dubai beugt sich vor. »Ein Zeitreisender aus dem Jahr 2108 macht sich auf den Weg in das Jahr 2130 und hört dort von einer großartigen Erfindung über einen interstellaren Raumschiffantrieb. Die Einzelheiten liest er in einer Fachzeitschrift, verfasst von einem unbekannten Wissenschaftler mit Namen Melvin Weinberger. Ausgerüstet mit einer Kopie des Artikels, kehrt der Zeitreisende in seine eigene Zeit, also 2108, zurück und forscht nach dem Wissenschaftler. Schließlich findet er ihn als Student der Physik im ersten Semester an der Universität seines Wohnorts. Der Zeitreisende händigt dem Physikstudenten die von ihm aus dem Jahr 2130 mitgebrachte Facharbeit aus, die der Physiker Melvin Weinberger dann im Jahr 2130 ordnungsgemäß unter seinem Namen veröffentlicht. Das Paradoxon dieses skurrilen Vorfalls ist das Rätsel der Urheberschaft der brillanten Arbeit über den neuartigen Antrieb.«
»Da haben wir’s!« Hürlimann schüttelt den Kopf. »Wer ist nun der Verfasser? Wer hat den Antrieb erfunden? Melvin Weinberger war es offensichtlich nicht. Ebenso wenig der Zeitreisende, der ihm die Arbeit übermittelte.«
»Diese Widersprüche beziehungsweise Paradoxa lassen sich unter Umständen durch unsere neuesten Erkenntnisse auflösen«, mischt sich der amerikanische Kosmologe Carl Friedman ein. »Vor hundert Jahren betrachtete man ja noch die Vielweltentheorie als Lösung, um die Verletzung der Kausalität aus dem Weg zu räumen. Danach würde nämlich ein Zeitreisender zwar in die Vergangenheit reisen können, diese wäre aber in einer Parallelwelt angesiedelt. Korrekturen der Geschichte wären dann nur in dieser möglich. Die Ursprungswelt des Zeitreisenden, also seine Weltlinie, wäre davon nicht berührt.«
»Sie spielen also auf die sogenannte Everett’sche Vielwelten-theorie an.« Tamam reißt das Wort an sich.
»Genau«, sagt Friedman. »Dieses Konzept stützte sich auf quantenmechanische Überlegungen.«
»Inzwischen«, kontert der Vorsitzende, »haben wir aber andere Erkenntnisse gewonnen, die Korrekturen unserer Vergangenheit ermöglichen könnten. Allerdings ganz behutsam, nur indirekt und versteckt, um keine Zeitkonflikte zu verursachen.«
Der israelische Quantenphysiker Efraim Ori lässt seinen Stift verspielt durch die Finger kreisen und sagt: »Schließlich wissen wir heute, dass es damals einem Forschungsteam gelang, mit Hilfe von exotischer Materie und negativer Energiedichte Wurmlöcher nicht nur zu stabilisieren, sondern auch zu vergrößern, um Zeittunnel zu bilden. Zusätzlich wurde damals der Casimireffekt genutzt.«
»Ja, das war schon vor hundert Jahren eine tolle Pionierzeit«, stellt Professor Weber fest. »Eine Aufbruchstimmung in der Elementarphysik. Der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger führte seine Teleportationsexperimente mit verschränkten Teilchen durch. Er nutzte damals Reflexionsanlagen auf dem Mond«, sinniert Weber. »Mein Gott, sind wir inzwischen weit gekommen!«
»Schauen wir uns doch noch einmal unsere ITTA-Anlage in Australien an«, unterbricht Tamam ungeduldig. Wieder erscheint das Hologramm mit dem gleißenden Ringsystem, in dessen Mitte riesige Kugeln rasend rotieren, und zwischen ihnen die schwebende Zeitkapsel. »Unsere Anlage nutzt beides, Konsequenzen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik.« Ein gewisser Stolz in der Stimme des Vorsitzenden ist nicht zu überhören.
»Die rotierenden Kugeln aus exotischer Materie verursachen einen enormen
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