Raus aus dem Har(t)z IV!
sein. Und was nicht sein kann, darf und wird nicht sein! Punkt! Damit versuchte ich die Sache für mich erledigt zu lassen und gab mich dem üblichen Sonntagnachmittag hin. Ich schaltete durch das Fernsehen, die Fernbedienung hoch und runter und blieb bei einer der Casting Shows schließlich hängen. Schadenfreude würde mir jetzt gut tun. Waren diese Shows denn zu einem anderen Grund geschaffen worden, wenn nicht dem Publikum etwas hinzuwerfen, über das sie diskutieren und sich ergötzen könnten? Was läge da näher als einen Haufen untalentierter Träumer auf einen Bühne zu holen, denen vorzugaukeln, eine Karriere würde winken und sie dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. In einen riesigen Krater mit einem dunklen Boden, den man vom Rand gar nicht erspähen konnte. Warum machte sich denn überhaupt noch einer der jungen Generation die Mühe, eine Ausbildung anzufangen und etwas lernen zu wollen? Sollen sich doch einfach alle bewerben bei diesen Shows. Glauben die ehrlich, man wird mit ein paar Auftritten als niemand plötzlich über Nacht zum Superstar und das war’s? Naivität, die die Sender geschickt auszunutzen wissen und wenn man sich den Strom an Bewerbern ansieht, der da gezeigt wird, dann kommt man immer mehr zu der Überzeugung, dass es kein Wunder ist, warum in so vielen Bereichen der Nachwuchs fehlt. Wer will denn da noch arbeiten. Jeder, der einigermaßen fehlerfrei pfeifen kann darf sich doch da bewerben und bekommt souffliert, dass auf ihn jetzt die große Chance warten würde. Er müsse nur unterschrieben und schon kann es losgehen. Dabei tritt er im Kleingedruckten alle Rechte an den Teufel in Form des Senders mit den drei Buchstaben im Logo ab und von da an ist er Opfer der Quoten- Jagd. Immer tiefer wird herumgewühlt, Skandale und Skandälchen geschaffen, die dazu geeignet sind, rund um die Uhr einen Bericht kreieren zu können und dem gierigen Zuschauer zum Fraß vorzuwerfen. Der wartet ja nur darauf, jeden Tag aufs Neue mit neuen voyeuristischen Details gefüttert zu werden. Merkt eigentlich keiner außer mir, dass das Ganze an Perversion kaum noch zu überbieten ist? Wie im alten Rom, als in der Arena die Daumen nach oben oder unten zeigten und über die Zukunft des Gladiators entschieden. Doch sind diese Daumen heute nicht mehr im Publikum und zeigen nach oben oder unten, sondern auf der Telefontastatur und wählen für denjenigen an, der unbedingt in die nächste Runde kommen soll. Natürlich kostenpflichtig. Der arme Sender will ja auch etwas daran verdienen. Er muss sich immerhin die Mühe machen, um genügend Deppen im Volk zu finden, die dieses Spiel mitmachen. Ich merkte, wie mich meine Gedanken wieder auf mein gewohntes Aggressionslevel brachten und wünschte mir innerlich, dass jetzt wieder der kleine Rotzbengel von der Kopftuchschnalle im Stock über mir klingeln würde. Irgendetwas würde ich schon finden, um den wieder zum Heulen zu bringen. Ich brauchte etwas, um mich auszulassen. Warum musste denn Sonntag sein! So konnte ich nicht einmal auf die Straße und dort jemanden zur Sau machen, der mir geradewegs vor die Flinte läuft. Sonntag, ausgerechnet Sonntag. Dann noch im Winter. Ich hasste Sonntage. Tage, an denen man sich mit sich selbst beschäftigen musste. Obwohl ich eigentlich jeden Tag seit meiner Arbeitslosigkeit Sonntag hatte, so habe ich mir dennoch nie den Rhythmus abgewöhnt, den man als Arbeiter eben hat. Früh raus, mich mit irgendetwas beschäftigt um die Zeit totzuschlagen und dann abends fix und fertig auf die Couch. Ob ich dabei fix und fertig davon war, weil ich etwas getan habe oder weil ich so angestrengt danach suchte, etwas zu tun, dass wusste ich dabei nie so genau. Jetzt fing dieser Neger in der Casting Show im Fernsehen noch an zu flennen, als so eine Braut da versucht hatte, die Töne zu treffen. Jetzt flennte der noch und dabei quatschte er in einem Deutsch, dass ich mich fragte, wann er denn genau aus Afrika nach Deutschland kam. Gestern? Vor fünf Minuten? Und warum muss ausgerechnet jemand in einer angeblichen ‚Jury‘ sitzen, der über einen deutschen Superstar bestimmen soll, der überhaupt nicht aus Deutschland kommt, sondern den lebenden Beweis für Darwins Theorie zur Evolution zum Besten gibt? Mensch, gebt dem doch lieber erst mal etwas zu Essen, so dürre wie der ist! Als ob das nicht schon genug wäre, ist die nächste Jurorin eine Holländerin. Drei Juroren, zwei davon Ausländer. Wie weit ist es doch gekommen. Oder hat
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